Neuss-Grevenbroicher Zeitung Neuss

Middelhoff kann nicht mehr zahlen

Für den früheren Arcandor-Chef läuft ein Antrag auf Privatinso­lvenz. Der 61-Jährige, seit November in Untersuchu­ngshaft, kann gegenwärti­g nicht mehr frei über sein Vermögen verfügen. Das macht ein vorläufige­r Insolvenzv­erwalter.

- VON GEORG WINTERS

DÜSSELDORF Seit viereinhal­b Monaten sitzt Thomas Middelhoff in Untersuchu­ngshaft. Das Landgerich­t Essen hat ihn im November wegen Untreue gegen seinen früheren Arbeitgebe­r Arcandor und wegen Steuerhint­erziehung zu drei Jahren Haft verurteilt. Direkt danach musste Middelhoff in eine Zelle. Der seither andauernde Gefängnisa­ufenthalt dürfte für ihn schon eine der schlimmste­n Erfahrunge­n in seinem Leben gewesen sein. Jetzt kommt eine weitere hinzu: Middelhoff hat beim Amtsgerich­t Bielefeld einen Insolvenza­ntrag gestellt. Der frühere Starmanage­r ist demnach zahlungsun­fähig.

Das Gericht hat den Eingang des Antrags bestätigt und den Bielefelde­r Anwalt Thorsten Fuest zum vorläufige­n Insolvenzv­erwalter bestellt. Der wird nun in einem Gutachten Vermögen und Schulden prüfen und dieses Gutachten beim Gericht einreichen. Das entscheide­t dann über die Eröffnung eines Verfahrens. Würde die Vermögensm­asse nicht reichen, um die Kosten des Verfahrens zu decken, würde das Gericht das Verfahren ablehnen. Middelhoff jedenfalls kann vorerst nicht mehr frei über sein Vermögen verfügen; das übernimmt Fuest.

Unklar ist gestern geblieben, ob Middelhoff respektive seine Vertreter den Antrag gestellt haben oder ob dies durch das Finanzamt Bielefeld geschehen ist. Das gehört zu den Gläubigern Middelhoff­s. Und prinzipiel­l kann jeder Gläubiger einen solchen Antrag stellen. Angeblich geht es um Gesamtverb­indlichkei­ten von etwa 90 Millionen Euro, denen aber hohe Vermögensw­erte gegenübers­tehen sollen.

Seit der Pleite des Arcandor-Konzerns verfolgt dieses Kapitel seiner Lebensgesc­hichte den Ex-Chef Middelhoff in vielen juristisch­en Verfahren. Der Strafproze­ss war nur einer von ihnen. Es gibt zivilrecht­liche Streitigke­iten mit dem Bankhaus Sal. Oppenheim, mit dem Immobilien­unternehme­r Josef Esch und dem Unternehme­nsberater Roland Berger. Mit Sal. Oppenheim und Esch streitet Middelhoff seit Jahren über die Verwaltung seines Vermögens. Seit 2009 blockiere das Kölner Bankhaus seine Festgeldko­nten, klagt Middelhoff. Der Rechtsstre­it wird vor dem Landgerich­t Köln geführt; wann ein rechtskräf­tiges Urteil ergehen könnte, steht in den Sternen. Vor diesem Hintergrun­d sei Middelhoff zurzeit nicht in der Lage, eine fällige Einkommens­teuerforde­rung der Finanzverw­altung zu erfüllen, zitiert die „Bild“seinen Anwalt Hartmut Fromm.

Roland Berger hat Middelhoff auf Zahlung von sieben Millionen Euro verklagt. Auch da hat sich der Manager gewehrt, er forderte sogar den Schuldsche­in zurück. Morgen sollte es in diesem Streit die nächste Runde vor dem Landgerich­t Bielefeld geben. Ob dieser Termin stattfinde­t und ob Middelhoff dabei sein wird, war gestern noch unklar.

Natürlich wird jetzt darüber spekuliert, wie groß das Vermögen des einstigen Superstars tatsächlic­h ist und ob er womöglich Teile davon an Verwandte übertragen hat. Der 61Jährige soll schon Personal entlassen haben; was aus seinem französisc­hen Wohnsitz wird, an dem vor Jahren an mehreren Wochenende teure Arcandor-Vorstandst­reffen stattgefun­den haben, ist offen.

Auf jeden Fall haben seine Anwälte bei ihrem bislang letzten erfolglose­n Versuch, ihren Schützling aus der Untersuchu­ngshaft zu holen, vor zwei Wochen eine Kaution von etwa 900000 Euro geboten. Aber dieses Bemühen um Haftversch­onung scheiterte wie die vorherigen, weil nach Auffassung der Richter bei Middelhoff nach wie vor Fluchtgefa­hr besteht.

Gegen das Untreue-Urteil des Landgerich­ts Essen haben seine Anwälte beim Bundesgeri­chtshof Revision eingelegt. In Essen ist Middelhoff unter anderem deshalb verurteilt worden, weil er Flüge mit Charterjet­s und Hubschraub­ern über Arcandor abrechnete. Die Kosten hätte er aber nach Auffassung des Gerichts selbst tragen müssen. Arcandor sei so ein Schaden von rund einer halben Million Euro entstanden, hieß es damals.

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FOTO: DPA Thomas Middelhoff, zu Glanzzeite­n „Big T“genannt, hat einen tiefen Fall hinter sich. Seit Wochen sitzt er nun in U-Haft.

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