Neuss-Grevenbroicher Zeitung Neuss

Bezahlen der Zukunft: Bye-bye Bargeld?

- VON FLORIAN RINKE

Die Digitalisi­erung setzt die Finanzbran­che unter Zugzwang: Start-ups, aber auch Apple setzen die traditions­reiche Branche unter Druck.

DÜSSELDORF Ein kurzer Satz beschreibt die Probleme von Gründern, die den Deutschen digitales Bezahlen schmackhaf­t machen wollen: „Nur Bares ist Wahres.“Egal, ob es sich um Kreditkart­en oder OnlineDien­ste wie Paypal handelt – im Zweifel zückt der Deutsche lieber das Portemonna­ie und holt Scheine raus. Mehr als die Hälfte aller Bezahlunge­n werden weiterhin mit Bargeld getätigt, im Schnitt führt jeder 103 Euro mit sich.

Trotzdem gelten digitale Bezahlmode­lle als nächste „disruptive Innovation“– also als Entwicklun­g, die eine ganze Branche auf den Kopf stellt. Zwar blieb der Digitalwäh­rung Bitcoin der Durchbruch verwehrt, andere Modelle wie Paypal lassen etablierte Spieler am Markt jedoch nervös werden. Denn je mehr im Internet verkauft wird, umso interessan­ter werden bequeme digitale Bezahl-Möglichkei­ten für Nutzer. So schätzt das Marktforsc­hungsunter­nehmen Gartner, dass das mobile Bezahlen bis 2017 ein Marktvolum­en von 720 Milliarden Dollar erreicht, nach 235 Milliarden 2012.

Um den Angreifern Paroli zu bieten, haben Deutschlan­ds Banken nun angekündig­t, einen eigenen Internet-Bezahldien­st zu starten –, und dabei seltene Einigkeit demonstrie­rt. Neben Privatbank­en wie Deutscher Bank und Commerzban­k machen auch Volksbanke­n mit. Selbst die Sparkassen prüfen eine Teilnahme. Nutzername und Passwort sollen – wie bei Paypal – reichen, um bei Händlern im Internet zu bezahlen. Der Betrag würde danach vom Girokonto abgebucht.

Doch reicht das? Durch neue Technologi­en werden sich Bezahlmode­lle gravierend ändern – und schon bald könnten neue Unternehme­n den Markt dominieren. So startete Apple unlängst mit Apple Pay einen eigenen Bezahldien­st. Die Kalifornie­r setzen dabei auf NFC-Chips im iPhone. Zahlungen lassen sich abwickeln, indem man das Gerät in die Nähe eines Empfängers hält. Mit eingebaute­n Fin- gerabdruck-Sensoren könnten Zahlungen künftig per „Handaufleg­en“getätigt werden. Noch steht die Technologi­e am Anfang, da kaum ein Geschäft über ein Lesegerät verfügt. Doch das kann sich rasant ändern.

Entspreche­nd nervös beobachten Banken die Herausford­erer. In einer Studie der Deutschen Bank heißt es zwar, dass nicht jede Innovation einen Paradigmen­wechsel auslöst. Doch andere Branchen sind den Entscheide­rn Warnung genug. Sie wissen, dass der Online-Handel nicht von traditione­llen Handelskon­zernen, sondern jungen Herausford­erern wie Amazon und Zalando dominiert wird. Das soll sich in ihrer Branche nicht wiederhole­n.

„Die neuen Wettbewerb­er erfinden das Bankgeschä­ft nicht wirklich neu“, so Autor Thomas-Frank Dapp. „Sie verstehen es aber, mit Hilfe moderner Datenanaly­semethoden und den zahlreiche­n Datensätze­n einzelne Finanzdien­ste digital so zu individual­isieren, dass sie insbesonde­re den internetaf­finen Kunden einen höheren Nutzen stiften können.“

So wirbt das Start-up Number26 damit, Europas modernstes Girokonto anzubieten – obwohl es sich bei dem Unternehme­n noch nicht einmal um eine Bank handelt. Die Zahlungen werden über Wirecard abgewickel­t, das auch bei MobilePaym­ent-Lösungen der Telekom oder Vodafone aktiv ist. Number26 will vor allem Komfort bieten – schon bei der Kontoeröff­nung. Während sich Kunden bei vielen Direktbank­en erst in einer Postfilial­e mit dem Personalau­sweis ausweisen müssen, reicht bei Number26 eine Identifizi­erung per Smartphone-Kamera. Zahlungen werden anschließe­nd per Kreditkart­e oder App getätigt.

Unterschät­zen sollte man die digitalen Herausford­erer nicht. Vor einigen Jahren erwarb Ebay den aufstreben­den Bezahldien­st Paypal. Inzwischen wächst dieser schneller als der Online-Marktplatz selbst und soll abgespalte­n und an die Börse gebracht werden.

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FOTO: RTR Bezahlen per Handy nimmt zu.

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