Neuss-Grevenbroicher Zeitung Neuss
Bezahlen der Zukunft: Bye-bye Bargeld?
Die Digitalisierung setzt die Finanzbranche unter Zugzwang: Start-ups, aber auch Apple setzen die traditionsreiche Branche unter Druck.
DÜSSELDORF Ein kurzer Satz beschreibt die Probleme von Gründern, die den Deutschen digitales Bezahlen schmackhaft machen wollen: „Nur Bares ist Wahres.“Egal, ob es sich um Kreditkarten oder OnlineDienste wie Paypal handelt – im Zweifel zückt der Deutsche lieber das Portemonnaie und holt Scheine raus. Mehr als die Hälfte aller Bezahlungen werden weiterhin mit Bargeld getätigt, im Schnitt führt jeder 103 Euro mit sich.
Trotzdem gelten digitale Bezahlmodelle als nächste „disruptive Innovation“– also als Entwicklung, die eine ganze Branche auf den Kopf stellt. Zwar blieb der Digitalwährung Bitcoin der Durchbruch verwehrt, andere Modelle wie Paypal lassen etablierte Spieler am Markt jedoch nervös werden. Denn je mehr im Internet verkauft wird, umso interessanter werden bequeme digitale Bezahl-Möglichkeiten für Nutzer. So schätzt das Marktforschungsunternehmen Gartner, dass das mobile Bezahlen bis 2017 ein Marktvolumen von 720 Milliarden Dollar erreicht, nach 235 Milliarden 2012.
Um den Angreifern Paroli zu bieten, haben Deutschlands Banken nun angekündigt, einen eigenen Internet-Bezahldienst zu starten –, und dabei seltene Einigkeit demonstriert. Neben Privatbanken wie Deutscher Bank und Commerzbank machen auch Volksbanken mit. Selbst die Sparkassen prüfen eine Teilnahme. Nutzername und Passwort sollen – wie bei Paypal – reichen, um bei Händlern im Internet zu bezahlen. Der Betrag würde danach vom Girokonto abgebucht.
Doch reicht das? Durch neue Technologien werden sich Bezahlmodelle gravierend ändern – und schon bald könnten neue Unternehmen den Markt dominieren. So startete Apple unlängst mit Apple Pay einen eigenen Bezahldienst. Die Kalifornier setzen dabei auf NFC-Chips im iPhone. Zahlungen lassen sich abwickeln, indem man das Gerät in die Nähe eines Empfängers hält. Mit eingebauten Fin- gerabdruck-Sensoren könnten Zahlungen künftig per „Handauflegen“getätigt werden. Noch steht die Technologie am Anfang, da kaum ein Geschäft über ein Lesegerät verfügt. Doch das kann sich rasant ändern.
Entsprechend nervös beobachten Banken die Herausforderer. In einer Studie der Deutschen Bank heißt es zwar, dass nicht jede Innovation einen Paradigmenwechsel auslöst. Doch andere Branchen sind den Entscheidern Warnung genug. Sie wissen, dass der Online-Handel nicht von traditionellen Handelskonzernen, sondern jungen Herausforderern wie Amazon und Zalando dominiert wird. Das soll sich in ihrer Branche nicht wiederholen.
„Die neuen Wettbewerber erfinden das Bankgeschäft nicht wirklich neu“, so Autor Thomas-Frank Dapp. „Sie verstehen es aber, mit Hilfe moderner Datenanalysemethoden und den zahlreichen Datensätzen einzelne Finanzdienste digital so zu individualisieren, dass sie insbesondere den internetaffinen Kunden einen höheren Nutzen stiften können.“
So wirbt das Start-up Number26 damit, Europas modernstes Girokonto anzubieten – obwohl es sich bei dem Unternehmen noch nicht einmal um eine Bank handelt. Die Zahlungen werden über Wirecard abgewickelt, das auch bei MobilePayment-Lösungen der Telekom oder Vodafone aktiv ist. Number26 will vor allem Komfort bieten – schon bei der Kontoeröffnung. Während sich Kunden bei vielen Direktbanken erst in einer Postfiliale mit dem Personalausweis ausweisen müssen, reicht bei Number26 eine Identifizierung per Smartphone-Kamera. Zahlungen werden anschließend per Kreditkarte oder App getätigt.
Unterschätzen sollte man die digitalen Herausforderer nicht. Vor einigen Jahren erwarb Ebay den aufstrebenden Bezahldienst Paypal. Inzwischen wächst dieser schneller als der Online-Marktplatz selbst und soll abgespalten und an die Börse gebracht werden.