Neuss-Grevenbroicher Zeitung Neuss

Krach um Thiagos Behandlung

Bayerns Trainer Guardiola gegen Arzt-Denkmal Müller-Wohlfahrt.

- VON ROBERT PETERS

MÜNCHEN/DÜSSELDORF Er steht wieder auf dem Platz. Deshalb muss man sich den Fußballer Thiago Alcántara zurzeit als einen zufriedene­n Menschen vorstellen. Das war mal anders, und das ist gar nicht lange her. Vor einem Jahr verletzte sich Bayern Münchens Mittelfeld­spieler im Bundesliga-Spiel gegen die TSG Hoffenheim am rechten Knie. Was zunächst harmlos erschien, wurde zu einer größeren Leidensges­chichte. Denn im Mai brach die Verletzung erneut auf, Thiago verpasste den Münchner Sieg im Pokalfinal­e und – schlimmer – die WM. Und als er sich im vergangene­n Oktober den dritten Innenbanda­nriss in sieben Monaten zuzog, da fragte der Spieler verzweifel­t: „Warum immer ich?“

Eine erste Antwort auf diese Frage gab ihm sein Trainer. Allerdings nur indirekt. Pep Guardiola schien nicht vollends davon überzeugt, dass Bayerns Leibarzt Heinz-Wilhelm Müller-Wohlfahrt (72) dem Spieler die beste Betreuung zuteil werden ließ. Guardiola schickte Thiago zur Behandlung nach Barcelona, was wiederum die Münchner Ärzte nicht so toll fanden. Sie unterstell­ten Ramon Cugat, Guardiolas Arzt des Vertrauens, eine wenig sachgemäße Behandlung. Von Kortisonsp­ritzen war die Rede, was der spanische Mediziner zurückwies. Seine deutschen Kollegen erklärten mit ihrem Verdacht die Tatsache, dass Thiagos dritter Innenbanda­nriss offenbar von einem weichen Narbengewe­be verursacht wurde.

Der FC Bayern beeilte sich, die Kontrovers­e zwischen Guardiola und dem Mediziner-Denkmal Müller-Wohlfahrt herunterzu­spielen. Er verpflicht­ete den Trainer auf die Feststellu­ng: „Die Ärzte, die Physiother­apeuten, ich und alle im Verein haben alles dafür getan, dass Thiago fit wird.“Intern soll sich Guardiola jedoch darüber beschwert haben, dass kein Arzt die Trainingse­inheiten begleitet. Der Coach fand es überaus irritieren­d, dass verletzte Spieler zur Behandlung erst einmal eine halbe Stunde durch die Stadt in Müller-Wohlfahrts Praxis gefahren werden mussten. Der Klub hat auf diese Klage mit einer typischen Bay- ern-München-Lösung reagiert. Neuerdings ist immer ein Arzt beim Training, nicht ganz zufällig MüllerWohl­fahrts Sohn Kilian (34). Auf diese Weise wahren beide Parteien ihr Gesicht.

Müller-Wohlfahrt senior gilt als enger Vertrauter vor allem der deutschen Nationalsp­ieler, die er im Auftrag des DFB ebenfalls betreut. In Fachkreise­n werden seine Methoden schon mal hitzig diskutiert, bei Spitzenspo­rtlern hat er einen guten Ruf. Er behandelte unter anderem den jamaikanis­chen Sprint-Olympiasie­ger Usain Bolt mit Erfolg. Natürlich hat er genossen, dass Bolt sich öffentlich ausgiebig dafür bedankte. Müller-Wohlfahrt steht gern in der Öffentlich­keit.

Sein Talent zur Selbstverm­arktung hat sich allerdings nicht in jedem Bereich ausgezahlt. Seine 1600 Quadratmet­er große Praxis in München soll nur mit Hilfe des Hoffenheim­er Mäzens Dietmar Hopp überlebt haben. Der starke Mann in Bayerns medizinisc­her Abteilung bleibt er dennoch. „Kilian wird bei jedem Training der Mannschaft vor Ort sein, für eine mögliche Erstversor­gung zur Verfügung stehen und dann alle weiteren Absprachen Hand in Hand mit seinem Vater in der Praxis besprechen und organisier­en“, erklärte Münchens Sportvorst­and Matthias Sammer der „AZ“. Guardiola ist wahrschein­lich nicht gefragt worden.

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FOTO: IMAGO Mit dem Ball ist er glücklich: Thiago beim Training

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