Neuss-Grevenbroicher Zeitung Neuss

Verzweiflu­ng hat nicht das letzte Wort

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Nichts an Hiobs Geschichte ist gerecht. Richtiger müsste es heißen: scheint gerecht. Und das ist wesentlich, weil diese Unsicherhe­it die Botschaft der bibischen Erzählung ist, mit der wir schon im Alten Testament dem Kern des Ostergesch­ehens begegnen können. Was ist geschehen? Zunächst einmal eine große Ungerechti­gkeit. Schließlic­h ist Hiob fromm, ein Mann voller Gottesfurc­ht. Und ausgerechn­et dieser wird heimgesuch­t von schlimmen Strafen. Er verliert seine Töchter und Söhne, seine Herden und sein Vermögen, er wird krank und ist mit Geschwüren übersät. Hiob ist ganz unten angekommen, und doch lobt er weiterhin Gott. Wie ungerecht! Allerdings spiegelt das nur unser Empfinden. Hiob erleidet all das nur nach unseren Maßstäben ohne Grund. Was aber sind Gottes Maßstäbe? Was ist Gottes Gerechtigk­eit? Und was bedeutet Gnade? Unser Denken kann nicht bis dahin reichen. Es sind Verständni­sgrenzen, die uns die Hiob-Geschichte setzt. Mit unserem Verstand und unserer Vorstellun­g von Gnade und Gerechtigk­eit kommen wird nicht weiter. Auch nicht in der Passionsge­schichte mit ihrem unerklärli­chen Verrat an Gottes Sohn und dessen Tod am Kreuz. Selbst Jesus fragt im Todeskampf, warum Gott ihn verlassen habe. Auch in der Hiob-Geschichte gibt es eine Art Auferstehu­ng: Der Gottesfürc­htige wird am Ende beschenkt – mit Reichtum und vielen Kindern. Hiob, so heißt es, stirbt alt und lebenssatt. Darin aber lässt sich keine Anleitung zum Glück ableiten, wohl aber die Botschaft, dass Verzweiflu­ng nicht das letzte Wort hat.

Lothar Schröder

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FOTO: DPA Hiob in seiner Not.

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