Neuss-Grevenbroicher Zeitung Neuss
Lesungen und Gespräche erinnern an Lyriker Thomas Kling
Die Stiftung Insel Hombroich lädt Literaten zu einem Austausch ein. Thomas Kling ist heute vor zehn Jahren gestorben.
HOMBROICH Zeit seines Lebens war er ein Kämpfer. Selbst als er schon von seiner schweren Krankheit Lungenkrebs wusste, ließ Thomas Kling nicht davon ab, zu kämpfen. Für die Lyrik, für die Sprache, diesem „präzisen Wahrnehmungsinstrument“, wie er es in dem Essay zum Thema „Gemäldegedicht“in seinem letzten Buch „Auswertung der Flugdaten“formulierte. Wohlwissend, dass diese Literatur es schwer hat gegenüber der Prosa, im öffentlichen Interesse eher hintenan stand. Heute vor zehn Jahren ist der 47 Jahre alt gewordene Dichter gestorben.
Bis zum Schluss hat er auf der Raketenstation gearbeitet und gewohnt. Zusammen mit seiner Frau Ute Langanky, Malerin und Fotografin, die aus dem Arbeitszimmer des Dichters ein Forschungslabor für Literaturwissenschaftler und Schriftsteller gemacht hat. In der einstigen Baracke am alten Wach- turm ist heute das Thomas-KlingArchiv beheimatet, das Langanky zwar weiterhin betreut, aber als Schenkung an die Stiftung Insel Hombroich übergeben hat.
Von Beginn an hatte Ute Langanky für das Thomas-Kling-Archiv keine museale Begegnungsstätte im Sinn, sondern einen Arbeitsraum, mehr noch ein Arbeitsfeld zu den Werken ihres Mannes, seinen zahlreichen Notizen, Briefen und Ablagen, die alle in der Arbeit Klings einen eigenen Stellenwert, sogar einen eigenen Platz hatten.
In Kooperation mit dem Heinrich-Heine-Institut der Landeshauptstadt Düsseldorf wurde der Nachlass Thomas Klings archivalisch erschlossen und in eine Datenbank eingebracht (www.duesseldorf.de/kulturamt/dkult/heinrichheineinstitut/kling), seine Arbeitsbibliothek wird derzeit noch erfasst. So ist der Nachlass der Forschung und wissenschaftlichen Nutzung zugänglich. Aber Klings gesamte Korrespondenz mit Autoren wie H. C. Artmann, Oskar Pastior, Inger Christensen und Friederike Mayröcker liegt mittlerweile in archivalisch gesicherter Form vor. Das akustische Archiv, also alle für das Klingsche Werk wesentlichen Auf- nahmen auf Tonträgern von insgesamt rund 50 Stunden, hat der Herausgeber, Literaturkritiker und Hörfunkautor Norbert Wehr recherchiert und zusammengetragen.
Von der aktiven Arbeit an und mit dem Werk von Thomas Kling im In- stitut für Dichtung zeugen zahlreiche Publikationen. Nicht ohne Grund wurden viele von ihnen von Literaten und Autoren herausgegeben oder bearbeitet, denen Kling zu Lebzeiten eng verbunden war: etwa Hubert Winkels („Der Stimmen Ordnung. Über Thomas Kling“), Marcel Beyer und Christian Döring („Thomas Kling, Gesammelte Gedichte“) oder Norbert Hummelt („Thomas Kling, schädelmagie“), und eben Norbert Wehr („Das brennende Archiv“).
Aber Thomas Kling hat die deutsche Lyrik nicht nur ins 21. Jahrhundert geführt, sondern ihr auch in der Arbeit der Stiftung Insel Hombroich einen festen Platz gegeben. 1995 rief Kling die jährliche Veranstaltungsreihe „Hombroich: Literatur“mit namhaften Literaten ins Leben, sein Nachfolger Oswald Egger übernahm die Kurator-Aufgabe.
Den zehnten Todestag des Dichters nimmt die Stiftung nun zum Anlass für eine besondere Veran- staltung. Mit den Gästen Marcel Beyer, Ulrike Janssen, Barbara Köhler und Norbert Wehr werden Oswald Egger und Ute Langanky in einer intimen und doch öffentlichen Situation Aspekte des Lebens und Arbeitens von Thomas Kling thematisieren.
Geplant sind verschiedene Formate wie Lesung, Gespräch und die Präsentation des Hörbuchs „Die gebrannte Performance“, das in den nächsten Tagen erscheinen wird. Und wieder sind die Herausgeber zwei Menschen, die mit Kling und seinem Werk eng verbunden sind: „Schreibheft“-Gründer Norbert Wehr und Ulrike Janssen, die für ihr Hörspiel „vogelherdrecherche“, das auf einem Gedichtzyklus von Thomas Kling basiert, 2011 den KarlSczuka-Förderpeis bekam.
Die Veranstaltung zu Klings Ehren findet am Samstag, 6. Juni, ab 11 Uhr an verschiedenen, sonst nur begrenzt zugänglichen Orten der Raketenstation Hombroich statt.