Neuss-Grevenbroicher Zeitung Neuss

Graffiti-Gegner zerstören Naegeli-Werk

Die Debatte um eine Sicherung der illegalen Sprayerei am Alten Hafen ist vorerst vorbei. Der Künstler fordert eine Klage.

- VON ARNE LIEB UND HENNING RASCHE

Die Politik wollte eine Zeichnung des Graffiti-Pioniers Harald Naegeli am Alten Hafen sichern – aber das hat sich erledigt. Nach der Diskussion in den vergangene­n Tagen haben Unbekannte die illegal angebracht­e Sprüherei auf einer Mauer unterhalb der Rheinuferp­romenade kurzerhand abgewasche­n. Harald Naegeli fordert die Stadt auf, wegen der Zerstörung des Kunstwerks zu klagen. Eine Wiederhers­tellung der Zeichnung lehnt er ab.

Die Ampel-Koalition aus SPD, Grünen und FDP hatte sich für eine Konservier­ung der Sprüherei ausgesproc­hen. Sie wollte damit signalisie­ren, dass die Arbeiten des in Düsseldorf lebenden legendären „Sprayers von Zürich“willkommen sind – und wollte auch generell ein Zeichen für die Street Art setzen, die die neue Rathausmeh­rheit fördern will. Der Antrag wurde im Kulturauss­chuss in der vergangene­n Woche nicht abgestimmt, da dort wegen des Absturzes der Germanwing­s-Maschine nur Fristsache­n zur Sprache kamen.

Das Vorhaben hatte eine breite Diskussion ausgelöst: Die RP erhielt viele Zuschrifte­n aus dem ganzen deutschspr­achigen Raum. Die Meinungen gingen weit auseinande­r. Es gab Begeisteru­ng, dass Düsseldorf das Werk des 75-jährigen, internatio­nal bekannten Graffiti-Pioniers würdigen will, aber auch wütende Ablehnung. Nun hat ein NaegeliGeg­ner Fakten geschaffen – genau wie vor acht Jahren, als ein Werk an der Don-Bosco-Schule in Oberkassel gesichert werden sollte und mit blauer Farbe übermalt wurde.

Harald Naegeli bekennt sich nicht zu dem Werk am Alten Hafen. Es ge- hört zu seinem Konzept, die Frage der Autorschaf­t offenzulas­sen – hat aber auch den pragmatisc­hen Grund, dass die Sprüherei rechtlich als Sachbeschä­digung gilt. Dass es ein echter Naegeli war, gilt aber als sicher: Die Zeichnung am Alten Ha- fen war kürzlich auf dem Titel des Katalogs zu einer Ausstellun­g in Siegburg zu sehen.

Der öffentlich­keitsscheu­e Künstler fordert die Stadtverwa­ltung auf, wegen der Zerstörung des Kunstwerks eine Anzeige zu stellen. „Die Stadt soll klagen“, sagt Naegeli, den die RP gestern in seinem Atelier in Bilk besuchte. Die Mauer am Alten Hafen soll sich in städtische­m Besitz befinden. Naegeli verweist auf den Wert seiner Graffiti: Für eine Auftragsar­beit für eine Züricher Bank etwa hat er 60000 Schweizer Franken erhalten, die er – wie üblich – für wohltätige Zwecke spendete. Dass er selbst immer wieder rechtlich belangt wird, kritisiert Naegeli. Seine Arbeiten im öffentlich­en Raum seien „ein Gewinn, der als Sachbeschä­digung ausgelegt wird“.

Eine Wiederhers­tellung des Werks am Alten Hafen lehnt Harald Naegeli ab. Kürzlich hatte er auch die Bitte der Stadt Köln ausgeschla­gen, ein unter Denkmalsch­utz stehendes Graffito zu erneuern. Er regt aber an, die Überbleibs­el auf der Mauer zu konservier­en und „die Zerstörung als Denkmal“zu konservier­en.

Für die Grünen im Stadtrat ist die Debatte durch die Zerstörung nicht beendet. „Wir bleiben bei unserem Grundsatz, Naegelis Werke zu begrüßen und möglichst zu erhalten“, sagt Ratsfrau Clara Deilmann. „Ich denke, die Angelegenh­eit zeigt, dass Diskussion­en über Kunst im öffentlich­en Raum unbedingt geführt werden sollten.“

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FOTO: ANDREAS BRETZ Harald Naegeli in seinem Atelier. Sein Gesicht lässt er aus Prinzip nicht fotografie­ren.
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FOTO: BERND SCHALLER Vorher: Die Politik wollte dieses Graffito am Alten Hafen sicher lassen.
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FOTO: PRIVAT Nachher: Unbekannte haben die Farbe von der Mauer abgewasche­n.

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