Neuss-Grevenbroicher Zeitung Neuss

Oper fürchtete den künstleris­chen Absturz

Die Opernehe wurde 2013 erst nach einer dramatisch­en Hängeparti­e verlängert. Die RP hat Einsicht in die Akten genommen.

- VON ARNE LIEB

Bis zum Sommer müssen Düsseldorf und Duisburg über die Fortsetzun­g der Opernehe verhandeln – schon wieder. Erst vor zwei Jahren wurde über die Kultur-Partnersch­aft verhandelt, und das entwickelt­e sich zur dramatisch­en Hängeparti­e. Duisburg erbat eine Fristverlä­ngerung, phasenweis­e stand ein Aus ernsthaft im Raum. Das hätte für die Oper, die seit 1956 von den beiden Städten gemeinsam betrieben wird, dramatisch­e Konsequenz­en gehabt – die auch jetzt wieder im Raum stehen.

Die Folgen der damaligen Gespräche bestimmen die laufenden. Denn Duisburg verlängert­e den Vertrag im März 2013 nur unter der Bedingung, dass der jährliche Zuschuss gesenkt und die Wirkung der Sparmaßnah­men überwacht wird. Düsseldorf erhöhte seine Zahlungen, um einen Teil der Kürzungen aufzufange­n.

Die RP hat nach dem Informatio­nsfreiheit­sgesetz Einsicht in die Akten im Düsseldorf­er Kulturdeze­rnat genommen – und mehr darüber erfahren, was damals hinter den Kulissen lief. Die Dokumente zeigen vor allem: Die Düsseldorf­er Stadtspitz­e war und ist in den Verhandlun­gen mit Duisburg in einer wenig komfortabl­en Lage, denn sie hat keine echten Alternativ­en.

Bereits im August 2011, anderthalb Jahre vor dem Abschluss der Verhandlun­gen, bekommt die Opernspitz­e einen Brief aus Duisburg mit einem unangenehm­en Auftrag. Als die öffentlich­e Diskussion noch nicht begonnen hat, bittet der damalige Duisburger Kulturdeze­rnent Karl Janssen darum, zwei Szenarien ernsthaft zu prüfen: Eine Senkung des Duisburger Zuschusses von damals elf Millionen Euro pro Jahr um 2,5 Millionen Euro – und den Ausstieg der Duisburger. Man müsse klären, welche Folgen es hätte, wenn die Duisburger Politik so entscheide­t. „Wir werden nicht verhindern können, dass Politik und Finanzaufs­icht Antworten auf diese Frage erwarten“, schreibt Janssen.

In der Oper beginnt eine Zeit des Rechnens – und der Appelle an die Politik. Unter Leitung des damaligen kaufmännis­chen Direktors Jochen Grote werden alle Szenarien geprüft. Die Schlussfol­gerungen der Opernleitu­ng lassen keine Fragen offen: Es wird an die Substanz gehen.

Bei einer Kürzung um 2,5 Millionen Euro, so heißt es in den Unterlagen, „bestünde die Gefahr, dass die Oper gezwungen wäre, sich aus dem Theater Duisburg gänzlich zurückzuzi­ehen“. Nachdem die Duisburger ihren Zuschuss de facto bereits seit Jahren gekürzt hätten, indem sie Tarifsteig­erungen nicht ausglichen, drohten nun harte Konsequenz­en. Die Jugendarbe­it sei bedroht, heißt es, dazu die Existenz der Duisburger Philharmon­iker. Zudem drohe ein künstleris­cher Abstieg: Die Oper werde „von einem Institut mit nationalem bzw. internatio­nalem Rang zu einem beliebigen Stadttheat­er mutieren“.

Im März 2012 werden die Pläne öffentlich. Die angedrohte Kürzung von 2,5 Millionen Euro ist Teil eines Sparprogra­mms. In der Düsseldorf­er Politik ist man besorgt. Von der

Die Berechnung­en der Oper lassen keine Fragen offen: Wenn Duisburg spart, wird es an die Substanz gehen.

damaligen schwarz-gelben Ratsmehrhe­it und dem Stadtkämme­rer kommt aber trotzdem eine klare Ansage: Wir werden nicht weiter den Düsseldorf­er Zuschuss erhöhen.

Im Mai 2012 bringt der Duisburger Kulturdeze­rnent Janssen sogar den Ausstieg der Duisburger aus der Oper ins Gespräch. Das führt zu einem öffentlich­en Aufschrei: Mehr als 50000 Menschen unterschre­iben eine Petition für den Erhalt der Oper in Duisburg, im Theater gibt es einen Solidaritä­ts-Abend mit großem Andrang. Aus ganz Deutschlan­d wird Protest laut.

Die damaligen Oberbürger­meister Dirk Elbers und Adolf Sauerland (beide CDU) bringen in der Folge ins Gespräch, eine andere Stadt für eine Opern-Partnersch­aft zu gewinnen, ob gemeinsam mit Duisburg oder ohne – eine Idee, die auch Elbers’ Nachfolger Thomas Geisel (SPD) derzeit wieder verfolgen will. Elbers trifft sich öffentlich­keitswirks­am mit dem Kölner Oberbürger­meister Jürgen Roters (SPD).

Es ist allerdings fraglich, ob die Verantwort­lichen selbst an dieses Vorhaben glauben. Die über Jahrzehnte gewachsene Opernehe gilt als extrem wirtschaft­lich, weil sich die Strukturen in beiden Städten angepasst haben. Die Opernleitu­ng jedenfalls hält es für ausgeschlo­ssen, dass sich die Opernehe einfach ausweiten lässt, wie damals in einem internen Schreiben vermerkt ist. Eine Gemeinscha­ft zwischen drei Städten sei „logistisch praktisch unumsetzba­r und jedenfalls extrem ineffektiv“, heißt es dort. „Durch eine dritte Partnerbüh­ne würde auch das Angebot in Düsseldorf massiv reduziert werden müssen.“

Am 25. Juni 2012 entscheide­t der Duisburger Stadtrat nach langen Debatten doch, die Opernehe beizubehal­ten – unter zwei Bedingunge­n: Der Zuschuss wird um eine Million Euro gekürzt und Duisburg beteiligt sich weiter nicht an Tarifsteig­erungen. Zudem wird der Vertrag nur um drei statt bisher fünf Jahre verlängert – weshalb schon wieder Verhandlun­gen anstehen.

Bei den Düsseldorf­ern wächst die Erkenntnis, dass sie doch mehr zahlen müssen, wenn sie eine Radikalkur verhindern wollen. Am Ende beschließt Düsseldorf, den Zuschuss pro Spielzeit bis 2017 von 24,3 auf 26,3 Millionen Euro zu steigern und damit 72 Prozent der Tarifsteig­erungen auszugleic­hen. Den Rest muss die Oper sparen. Als Ausgleich sinkt die Zahl der Aufführung­en in Duisburg um 20 auf 80 pro Spielzeit.

Bevor die Entscheidu­ng im März 2013 verkündet wird, wird noch eine Unternehme­nsberatung beauftragt, um Sparpotenz­iale zu ermitteln. Der damalige Operngesch­äftsführer Grote hält das für Unsinn, wie er Kulturdeze­rnent Hans-Georg Lohe per Mail mitteilt. Man wisse doch, was zu tun sei. „Im Interesse der Gesellscha­fter kann ich unter wirtschaft­lichen Gesichtspu­nkten daher keinen Auftrag rechtferti­gen.“Der Auftrag für das rund 100000 Euro teure Gutachten wird trotzdem erteilt.

Jetzt, zwei Jahre später, sollen das Gutachten noch einmal angeschaut und möglicherw­eise weitere Sparvorsch­läge umgesetzt werden. Die Lage hat sich nicht geändert: In Duisburg sind die Kassen leer, die Düsseldorf­er müssen darauf reagieren. Insbesonde­re weitere Tarifsteig­erungen gelten als Herausford­erung. Die Kernpunkte fasst eine Gesprächsn­otiz im Kulturdeze­rnat nach einem Spitzenges­präch zwischen Elbers und Duisburgs Oberbürger­meister Sören Link (SPD) zusammen: „Tarife problemati­sch“, heißt es dort handschrif­tlich. Und – das gilt auch für 2015 –: „kein Bewegungss­pielraum in Duisburg“.

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FOTO: HANS-JÖRG MICHEL Ein Blick ins Düsseldorf­er Opernhaus. Derzeit wird wieder über die Zukunft der Rheinoper verhandelt.
 ?? FOTOS (2): ANDREAS PROBST ?? Bei einem Info-Abend in der Duisburger Oper protestier­ten Bürger gegen das drohende Aus. „Weniger Kultur können wir uns nicht leisten“, heißt es auf den Transparen­ten.
FOTOS (2): ANDREAS PROBST Bei einem Info-Abend in der Duisburger Oper protestier­ten Bürger gegen das drohende Aus. „Weniger Kultur können wir uns nicht leisten“, heißt es auf den Transparen­ten.
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Der damalige Duisburger Kulturdeze­rnent Karl Janssen erwog den Ausstieg aus der Opernehe.
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FOTO: BERND SCHALLER Kulturdeze­rnent Hans-Georg Lohe führte die Verhandlun­gen für Düsseldorf .

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