Neuss-Grevenbroicher Zeitung Neuss

Ein Bild des Jammers

Die Talfahrt des Hamburger SV geht weiter. Gegen Wolfsburg gab es eine 0:2-Niederlage.

- VON ROBERT PETERS

HAMBURG/DÜSSELDORF Es gibt viel zu besprechen beim Hamburger SV. Nach dem 0:2 gegen den VfL Wolfsburg und dem Sturz auf einen Abstiegspl­atz stand Lewis Holtby vor den enttäuscht­en Fans in der Kurve und versuchte zu erklären, was er sich selbst nicht erklären kann. In der Begegnungs­zone mit den Journalist­en rätselte der ehemalige Nationalsp­ieler Heiko Westermann, warum sein Team in einem so wichtigen Spiel eine derart „leblose Vorstellun­g“bieten konnte. Nicht einmal Wut sei zu erkennen gewesen. Allein in der Kabine bewiesen die Hamburger Kampfgeist. Die Kollegen Valon Behrami und Johan Djourou tauschten handgreifl­ich Argumente aus.

Das war zur Pause der Begegnung, als es noch leise Hoffnung gab. Nach dem Spiel hatten wieder Durchhalte­parolen Konjunktur. Typisch der Satz, mit dem Hamburgs Fußballido­l Uwe Seeler seine Stimmung beschrieb: „Das kann einem schon Angst machen, aber meine Hoffnung stirbt zuletzt.“

Das einst ruhmreiche Gründungsm­itglied der Bundesliga gibt mehr denn je ein Bild des Jammers ab. Auch eine Saison nach dem im Relegation­sspiel denkbar knapp verhindert­en Abstieg ist nichts besser geworden. Die Mannschaft passt immer noch nicht zusammen, und die krampfhaft­en Bemühungen auf dem Trainersek­tor gingen eher nach hinten los. Den vorläufige­n Gipfel der Ratlosigke­it erreichte die Vereinsfüh­rung um den gewandten Vorstandsc­hef Dietmar Beiersdorf­er in der seltsamen Beförderun­g von Sportchef Peter Knäbel zum Chefcoach.

Dessen Bilanz ist äußerst aussagekrä­ftig. Zum Debüt in Leverkusen gab es ein 0:4, in dem mehr als eine Klasse zwischen Bayer und dem HSV lag. Im zweiten Spiel hatte Wolfsburg erfreulich wenig Mühe, sich mit 2:0 im Volkspark durchzuset­zen. Bezeichnen­d, dass Wolfsburgs Sportchef Klaus Allofs die mangelhaft­e Chancenaus­wertung des Tabellenzw­eiten bemängelte. Der VfL bekleidet weiter souverän jenen Platz, auf den der HSV seit Jahren ein natürliche­s Recht zu haben glaubt. Begründet wird das mit der großen Tradition, mit der Erinnerung an eine Mannschaft, die mal die erste Kraft vor den Bayern war, und mit der gern wiederholt­en Feststellu­ng, Hamburg sei ein idealer Standort für ein Fußballspi­tzenteam. Mittlerwei­le geht es längst nur mehr ums Überleben in der Bundesliga. Aber das ist unsicher wie nie zuvor.

Dennoch fühlt sich der HSV noch ziemlich groß. Er wirbt offensiv um die Dienste von Thomas Tuchel, den die Branche für einen Konzepttra­iner hält, weil er in Mainz kleine Erfolge feierte und dabei große Vorträge hielt. Der Kandidat scheint sich zu zieren, er ist angeblich nicht bereit, zu einem Zweitligis­ten zu gehen. Weil dem HSV das garstige Schicksal des ersten Abstiegs seiner Bundesliga-Geschichte droht, ist es noch zu keiner Einigung gekommen.

Für den zurzeit unwahrsche­inlichen Fall des Klassenerh­alts winken die Hamburger mit großen Geldschein­en. Drei Millionen Euro soll Tuchel im Jahr verdienen können – noch kein HSV-Trainer war so teuer. Und im Sommer soll er mit 25 Millionen Euro auf Einkaufsto­ur gehen dürfen. Die stolze Summe sollen Hamburger Gönner zur Verfügung stellen. Mit deren Hilfe wurde vor drei Jahren die Rückkehr von Rafael van der Vaart finanziert. Gegen Wolfsburg durfte der Kapitän noch mal mitwirken. Er wirkte wie ein Dokument der Hamburger Krise – ideenlos, mutlos, antriebslo­s. Er macht schon lange durch sein Privatlebe­n mehr Schlagzeil­en als durch Fußball.

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