Neuss-Grevenbroicher Zeitung Neuss
Neue Eiszeit bei Mercedes
Formel-1-Fahrer Nico Rosberg beklagt sich, dass ihn Schanghai-Sieger Lewis Hamilton bewusst eingebremst habe. Nach einer Aussprache sei alles geklärt, heißt es. Niki Lauda spricht vom typischen Verhalten „egozentrischer Bastarde.“
SCHANGHAI/DÜSSELDORF Nachdem Ferrari-Fahrer Sebastian Vettel vor zwei Wochen in Malaysia mit seinem Sieg für Unruhe im seit 16 Monaten vom Erfolg verwöhnten Mercedes-Team gesorgt hatte, schlugen die Silberpfeile in Schanghai eindrucksvoll zurück. Lewis Hamilton, Gewinner des WM-Auftakts der Formel 1 in Melbourne, setzte sich vor seinem Teamrivalen Nico Rosberg und Vettel durch. Von ausgelassener Freude war dennoch wenig zu sehen nach dem Großen Preis von China.
Im Gegenteil. Vizeweltmeister Rosberg, in dieser Saison bislang im Schatten des Titelverteidigers, warf dem Engländer vor, er habe ihm mit seiner langsamen Fahrweise „unnötigerweise geschadet“und den Doppelsieg gefährdet, da Vettel ihm dicht auf die Pelle rücken konnte. Der Beschuldigte reagierte gelassen. „Meine Aufgabe besteht darin, meinen Wagen zu beherrschen und mein Auto so schnell wie möglich heimzubringen. Das habe ich gemacht“, sagte der 30-Jährige. Im Übrigen hätte Rosberg ja versuchen können, ihn zu überholen.
Das verbale Duell nach dem Rennen war der Höhepunkt eines Rennens, das am Ende knapp war, aber nie wirklich spannend. Weil der mit niederländischer Lizenz fahrende, in Belgien geborene Max Verstappen seinen Toro-Rosso auf der Start-Ziel-Geraden wegen Getriebeschadens abstellen musste, durfte in den beiden letzten Runden nicht mehr überholt werden. Das Feld rückte hinter dem Safety-Car zusammen.
Schon in einer Woche geht es beim Nachtrennen in Bahrein um die nächsten Punkte im Titelkampf, den Hamilton (68 Zähler) vor Vettel (55) und Rosberg (51) anführt. Nach dem obligatorischen Treffen mit den Mechanikern und den Verantwortlichen des Rennstalls versuchte Teamchef Toto Wolff, die Luft etwas rauszulassen. „Es war ein positives Treffen ohne jede Animosität“, sagte der Österreicher, der betonte: „Die Rivalität ist okay, solang sie nicht zu weit geht. Aber wir müssen aufpassen, dass die Situation nicht eskaliert.“In der vergangenen Saison hatte sich Hamilton im Qualify- ing von Monte Carlo durch Rosberg gelinkt gefühlt. Der Wiesbadener sorgte dann beim Grand Prix von Belgien in Spa mit einem unglücklichen Überholmanöver, bei dem er Hamiltons Hinterrad zerstörte, für Ärger. Auf Druck des Teams musste er dafür die Verantwortung übernehmen. Gestern beteuerte der 29Jährige nach dem Krisentreffen, dass alles geklärt sei und sich so etwas nicht wiederhole.
In diesem Jahr wollte der in Monte Carlo lebende Wiesbadener seine gemachten Erfahrungen nutzen und es seinem Vater Keke gleichtun. Der heute 66-Jährige gewann 1981 den WM-Titel in einem Williams. Doch bislang kommt Rosberg nicht an Hamilton vorbei. Der zweimalige Champion präsentiert sich auch als Meister der schnellen Runde. Dreimal startete er von Platz eins. Er hatte seinen Teamkollegen stets hinter sich, auch nach dem Start, und konnte sein Rennen fahren. In Schanghai trennten beide Piloten nach 5,451 Kilometern nur 0,042 Sekunden, aber Hamilton war halt diesen Tick schneller.
Nach der Unsicherheit von Malaysia, als die Reifen an den Silberpfeilen nicht perfekt „arbeiteten“, war Vorsicht das oberste Gebot. Ob Hamilton mit Vorsatz seinen Verfolger langsamer machte oder seine Reifen schonen wollte, ist einerlei. Der Engländer jedenfalls wird die Reaktion Rosbergs und des Teams genossen haben. Die Klage des Rivalen ist auch Zeichen für dessen derzeit vergebliches Bemühen, aus der Rolle der Nummer zwei herauszukommen.
Für Niki Lauda ist die Situation kein Problem. „Wir sind Erster und Zweiter. Mich interessieren Querelen nicht, solange Vettel Dritter ist“, sagte der dreimalige Weltmeister. Dass Hamilton in erster Linie seinen Vorteil im Blick hat, ist für den Aufsichtsratschef des Mercedes-Formel-1-Teams normal. „Diese Jungs sind egozentrische Bastarde. Das ist aber auch der einzige Weg, die Meisterschaft zu gewinnen“, ergänzte der Österreicher. Für den unzufriedenen Zweiten von Schanghai hatte der 66-Jährige dann aber doch noch Trost parat. „Nico wird zurückkommen“, sagte Lauda. „Schon hier war er ganz nah dran.“
Ganz nah reicht aber nicht.