Neuss-Grevenbroicher Zeitung Neuss

Islamisten trainieren Kinder in Gladbach

In einer alten Lagerhalle in Mönchengla­dbach sollen Sechs- bis 18-Jährige von Männern aus der Dschihadis­tenszene im Kampfsport ausgebilde­t worden sein. Verfassung­sschutz-Chef Hans-Georg Maaßen mahnt zu mehr Aufmerksam­keit.

- VON GABI PETERS UND CHRISTIAN SCHWERDTFE­GER

MÖNCHENGLA­DBACH „Time out“nennt sich die Kampfsport­schule an der Giesenkirc­hener Straße in Mönchengla­dbach. Kinder und Jugendlich­e im Alter von sechs bis 18 Jahren wurden dort von Salafisten in „Mixed Martial Arts“unterricht­et, einer besonders harten Kampfsport­art, die auch Tritte zulässt und bei der oft Blut fließt. Die Schule ist mittlerwei­le geschlosse­n.

Nach Hinweisen aus der Bevölkerun­g hatte der Staatsschu­tz die Kampfsport­schule, die sich in einer alten Lagerhalle befindet, beobachtet. Dabei konnte ermittelt werden, dass sich unter den Trainern und Verantwort­lichen Personen befinden, von denen man weiß, dass sie seit Jahren der bekannten Dschihadis­tenszene angehören. Zum Teil waren sie bereits im mittlerwei­le aufgelöste­n Salafisten-Verein „Einladung zum Paradies“aktiv, der in Mönchengla­dbach-Eicken eine Islamschul­e plante.

Der Präsident des Bundesamte­s für Verfassung­sschutz, Hans-Georg Maaßen, mahnt die Bevölkerun­g deshalb zu mehr Aufmerksam­keit. „Es handelt sich um ein gesamtgese­llschaftli­ches Problem“, sagte Maaßen unserer Zeitung. „Dieses perfide Treiben selbst ernannter Gotteskrie­ger kann auf Dauer nur eingedämmt werden, wenn Mitbürger aufmerksam hinschauen und Hinweise an Polizei und Verfassung­sschutz geben.“

Auch Mustafa C. (26), der sich in Syrien einer terroristi­schen Vereinigun­g angeschlos­sen haben soll, hielt sich nach Ermittlung­en des Staatsschu­tzes bis zu seiner Inhaftieru­ng regelmäßig in den Aufent- halts- und Trainingsr­äumen auf. Mustafa C. war auf Anordnung des Generalbun­desanwalts im Januar von SEK-Leuten in seiner Wohnung in Mönchengla­dbach-Rheydt festgenomm­en worden. Augenzeuge­n berichten, dass sie auch den Salafisten-Prediger Sven Lau öfter in der Kampfsport­schule gesehen haben. Sven Lau war Vorsitzend­er des „Vereins Einladung zum Paradies“und machte zuletzt mit seiner SchariaPol­izei Schlagzeil­en.

Peter Biesenbach, Sicherheit­sexperte und stellvertr­etender Vorsitzend­er der CDU-Landtagsfr­aktion, forderte Innenminis­ter Ralf Jäger (SPD) auf, härter gegen die islamistis­che Szene in NRW vorzugehen. „Dass polizeibek­annte Dschihadis­ten offenbar über längere Zeit hinweg ungestört eine Kampfsport­schule für Kinder und Jugendlich­e betreiben konnten, macht deutlich, wie gering der Beobachtun­gsdruck auf die Szene ist“, sagte Biesenbach unserer Zeitung. Augenschei­nlich fühlen sich Islamisten in NRW nicht nur pudelwohl, sondern werben inzwischen auch immer unverhohle­ner um Nachwuchs. „Der Innenminis­ter, in dessen Amtszeit sich die Zahl der Salafisten fast vervierfac­ht hat, ist mit dieser Entwicklun­g of- fensichtli­ch heillos überforder­t“, so Biesenbach. Der Staatsschu­tz hatte die Kampfsport­schule seit mehreren Monaten im Visier, sammelte Erkenntnis­se, wer dort ein- und ausgeht. Tätig wurden Polizei und städtische Behörden schließlic­h, um einer eventuell möglichen Radikalisi­erung der Kinder und Jugendlich­en frühzeitig entgegenwi­rken zu können. Die Stadtverwa­ltung überprüfte die Räumlichke­iten und stellte fest, dass die Betreiber verschiede­ne rechtliche Vorschrift­en zum Betrieb einer Sportschul­e nicht beachtet hatten. Die Verantwort­lichen schlossen daraufhin die Schule.

Die Polizei ist sich sicher, dass die Salafisten erneut versuchen werden, Jugendlich­e mit Freizeitan­geboten für ihre Ziele zu begeistern. Sie hat schon seit mehreren Jahren etliche Personen im Visier, die der Dschihadis­tenszene angehören und zum Teil schon in Syrien waren.

Joachim Stamp, stellvertr­etender Vorsitzend­er und integratio­nspolitisc­her Sprecher der FDP-Landtagsfr­aktion, warf dem Innenminis­ter vor, die Lage zu unterschät­zen. „Ich fordere seit über einem Jahr vom Innenminis­ter einen Leitfaden für die Kommunen, wie sie Werbeveran­staltungen von Salafisten unterbinde­n können“, so Stamp. „Gerade für Städte mit wenig Erfahrung im Umgang mit salafistis­cher Propaganda wäre dies eine wertvolle Hilfe.“Das sieht Arnold Plickert, NRW-Vorsitzend­er der Gewerkscha­ft der Polizei, ähnlich. Auch für ihn deute vieles darauf hin, dass das Kampfsport­training eine Werbeveran­staltung gewesen sei. „Die Islamisten gehen knallhart bis an die Grenzen des rechtsstaa­tlich Möglichen, um zu provoziere­n. Das ist unerträgli­ch“, betonte Plickert.

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FOTO: DETLEF ILGNER In diesem Gebäude in Mönchengla­dbach gaben Islamisten Kindern und Jugendlich­en Kampfsport­unterricht. Auch bundesweit bekannte Dschihadis­ten hielten sich dort auf.

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