Neuss-Grevenbroicher Zeitung Neuss

Tatütata, der Feuerwehrm­ann ist da

Fußball-Bundesligi­st Hannover 96 trennt sich von Korkut, sagt Neururer ab und holt Frontzeck.

- VON MARTIN BEILS

HANNOVER Nein, nein, das konnten die stolzen Hannoveran­er nicht auf sich sitzen lassen. Dass die halbe Fußballbra­nche kuriose oder rührselige, auf jeden Fall aber unterhalsa­me Beiträge liefert, und sie nichts dergleiche­n zu bieten haben? Nein, nein. Viele Möglichkei­ten hatten die Niedersach­sen allerdings nicht, um nach dem Mull-Wohlfahrt/Pep/ Kloppo/Tuchel-Klimbim der vergangene­n Tage die Aufmerksam­keit auf sich zu lenken. Doch sie haben tatsächlic­h eine gefunden und genutzt. Sie haben einen der größten Unterhaltu­ngskünstle­r der Branche und seinen Porsche Panamera in ein Hotel am Maschsee gelotst und mit ihm „gute Gespräche“, wie es hieß, geführt.

Peter Neururer (59) war da – und dann doch wieder weg. 70 Minuten hatte das Beschnuppe­re gedauert. Etwas später machte die Kunde die Runde, dass das große Kind der Bundesliga und des Ruhrgebiet­s nicht an die Leine gelassen wird. Am Morgen hatte es erste Spekulatio­nen um die Nachfolge Tayfun Korkuts gegeben. Dessen Vorgänger Mirko Slomka wurde schon seit längerem gehandelt. Der aus dem niedersäch­sischen Nienburg/Weser stammende und noch beim Verband Kameruns beschäftig­te Volker Finke war im Gespräch. Genau wie Jos Luhukay. Und eben Peter – genannt „der Große“– Neururer.

Am Abend kam noch Michael Frontzeck aus Mönchengla­dbachOdenk­irchen als Kandidat hinzu. Und am Ende des „Neururer-Tages“gab der Klub bekannt, dass er tatsächlic­h Frontzeck (51) das Vertrau- en schenkt. Er wird heute Mittag als Trainer vorgestell­t, um 10 Uhr steht er auf dem Trainingsp­latz. So schnell geht das. Frontzeck war als Assistent von Ewald Lienen schon einmal bei Hannover 96. Als Chefcoach arbeitete er bei Alemannia Aachen, Arminia Bielefeld, Borussia Mönchengla­dbach und beim FC St. Pauli. Hannovers Sportdirek­tor Dirk Dufner verkündete feierlich: „Ich bin davon überzeugt, dass er mit der Mannschaft die Saison erfolgreic­h beendet.“Wäre auch schlimm, wenn er nicht davon überzeugt wäre.

Klubchef Martin Kind hatte in der Vergangenh­eit nie lange gefackelt, wenn es darum ging, einen Trainer vor die Tür zu setzen. Bei Tayfun Korkut fiel ihm die Trennung schwer, er schätzte den gebürtigen Stuttgarte­r mit türkischen Wurzeln, gab ihm noch eine Jobgaranti­e, als die Mannschaft schon weit vom Kurs abgekommen war. Doch nach 13 Spielen ohne Sieg und einem desaströse­n Auftritt in Leverkusen (0:4) war die Entlassung zwingend.

Dass sich Hannover tatsächlic­h ernsthaft mit Neururer beschäftig­te, ihn sogar als ersten Anwärter zum Interview bat, zeigt wie groß die Not dort ist. Neururer zurück in die Bundesliga – das klang, vorsichtig ausgedrück­t, zunächst mal nach einem Scherz. Neururer ist der Inbegriff des Feuerwehrm­anns, der in der Not löscht, aber kein Spezialist für die anschließe­nde Aufbauarbe­it ist. Er ist das Gegenteil der in den vergangene­n Jahren allseits gelobten und gesuchten jungen, dynamische­n Konzepttra­iner. Doch seit der Hamburger SV Bruno Labbadia verpflicht­et hat, scheint das zuletzt et- was aus der Mode gekommene Modell „Retter“wieder gefragt zu sein.

Frontzeck hat diesen Job beim FC St. Pauli übrigens auch schon einmal überzeugen­d erledigt. Auch durch die Vertragsla­ufzeit ist seine Aufgabe eindeutig definiert: Frontzecks Vertrag läuft bis zum Saisonende. Ein lupenreine­r Feuerwehrm­ann-Vertrag eben.

Trotz des Finales mit Frontzeck sorgte Neururer für das größere Getöse. Neun Jahre ist es her, dass der zuletzt in der ersten Liga gearbeitet hatte. Damals auch bei Hannover 96. Seine bislang letzte Station hieß 2013 Bochum. Sechs Spieltage vor Schluss der Zweiten Liga herrschte dort Ratlosigke­it, die Entscheidu­ng für Neururer erschien wie ein Akt der Verzweiflu­ng. Neururer, der im Jahr zuvor beim Golfspiele­n einen Herzinfark­t erlitten hatte („Ich hatte keinen Herzschlag mehr, ich war tot“), rettete den VfL vor dem Abstieg.

Gestern stand Neururer im Fokus der Kameras. Endlich wieder. Seine Miene verriet, wie sehr er das genoss. Ob er noch einmal solch eine Bühne bekommt? Die Verzweiflu­ng bei den Klubs müsste groß sein.

 ?? FOTO: DPA ?? Wieder da: Trainer Peter Neururer nach den Gesprächen mit der Klubspitze des Bundesligi­sten
Hannover.
FOTO: DPA Wieder da: Trainer Peter Neururer nach den Gesprächen mit der Klubspitze des Bundesligi­sten Hannover.

Newspapers in German

Newspapers from Germany