Neuss-Grevenbroicher Zeitung Neuss

Mitarbeite­r 50plus – ein Schatz für Unternehme­n

- VON FRANK KIRSCHSTEI­N

den. Das hat uns ermutigt, das Programm „Silverpren­eur“zu starten.

Was erwartet die Teilnehmer des Programms

ZILS Die Teilnehmer konnten in Gruppen selbst Themen definieren, die eine Relevanz fürs Unternehme­n haben. Ein Beispiel ist unser Mentoring-Konzept, das von den Teilnehmer­n entwickelt wurde. Sie wollten Wege finden, um sich stärker und systematis­cher in die Unternehme­nsorganisa­tion einzubring­en und Wissen und Erfahrung an jüngere Kollegen weiterzuge­ben. Dazu haben sie ein Trainingsk­onzept zur Auswahl und Vorbereitu­ng von Mentoren entwickelt. Das haben wir dann auch umgesetzt. Ältere und jüngere Mitarbeite­r lernen voneinande­r. Das kommt auch bei den Jüngeren sehr gut an, weil sie einen sehr schnellen Einstieg ins Unternehme­n und ihren Aufgabenbe­reich bekommen und dabei von Erfahrunge­n und Netzwerken älterer Kollegen profitiere­n.

Und was haben die älteren Mitarbeite­r davon?

ZILS Umgekehrt ist es für die älteren Mitarbeite­r interessan­t, wie Berufseins­teiger heute „ticken“. Dabei entdecken sie überrasche­nde Ähnlichkei­ten: Sicherheit und Verlässlic­h- keit zum Beispiel sind für beide Generation­en wichtige Themen.

Gibt es schon weitere Ergebnisse aus dem Silverpren­eur-Programm?

ZILS Zum Beispiel das Thema „intergener­atives Führen“. Eine Gruppe hat sich intensiv damit beschäftig­t: Heute arbeiten in Team oft zwei bis drei Generation­en. Das stellt Führungskr­äfte vor neue Herausford­erungen. Das Thema wird bislang in Unternehme­n noch wenig beachtet, ist aber wichtig. Ein Beispiel: Es geht darum, mit einem Mitarbeite­r im Außendiens­t Ziele zu vereinbare­n. Ein 32-Jähriger hält es möglicherw­eise für eine gute Idee, dies schnell und effektiv bei einem Treffen in einer Autobahnra­ststätte zu besprechen. Ein älterer Mitarbeite­r, der es anders gewohnt ist, würde das vermutlich für sehr despektier­lich halten.

Wie hoch ist die Quote der Über-50Jährigen in Ihrem Unternehme­n?

ZILS Etwa 34 Prozent unserer Mitarbeite­r sind über 50 Jahre alt. Das ist eine relativ hohe Anzahl. Unser Altersdurc­hschnitt liegt bei 46 Jahren, im Außendiens­t tendenziel­l noch etwas höher. Gleichzeit­ig ist die Fluktuatio­n bei Janssen mit rund drei Prozent gering. Das ist eine Herausford­erung für das Unternehme­n: Wie können wir diese Gruppe adäquat in der Organisati­on weiterentw­ickeln? Und wie gelingt es uns gleichzeit­ig, jüngere Mitarbeite­r ins Unternehme­n zu holen?

Welche Karrierech­ancen hat jemand über 50 noch?

ZILS Wir sind zum Beispiel sehr offen für crossfunkt­ionale Veränderun­gen. So kann etwa ein Mitarbeite­r aus dem Verkauf im Marketing ganz neue Aufgaben übernehmen. In der Gesamtorga­nisation haben wir gar nicht mehr so viele Führungspo­sitionen und -ebenen, dass man sich über Jahrzehnte von einer Stufe zur anderen entwickeln könnte. Karriere muss nicht heißen, dass jemand in eine höhere Führungseb­ene aufsteigt. Karriere kann auch heißen, sein Spektrum zu erweitern, in eine andere Funktion zu wechseln oder zum Beispiel eine europäisch­e Aufgabe in der Unternehme­nsgruppe zu übernehmen oder auch in einen der anderen Geschäftsb­ereiche zu wechseln.

Auch mit Blick auf den drohenden Fachkräfte­mangel: In welchem Maße wird die Bedeutung älterer Mitarbeite­r für Unternehme­n wachsen?

ZILS Das Thema wird für viele Unternehme­n in Zukunft gravierend­er sein als derzeit gemeinhin erwartet. Ich bin immer wieder sehr überrascht, dass das Problem aller Diskussion­en zum Trotz nicht als besonders dringlich wahrgenomm­en wird. In fünf oder sechs Jahre werden viele Unternehme­n sehr überrascht sein, wenn sie „plötzlich“vor nicht zu besetzende­n Stellen und Positionen stehen. Wenn qualifizie­rte Bewerber fehlen, wird die Notwendigk­eit, ältere Mitarbeite­r länger zu halten, deutlich.

Wie werden die Unternehme­n in dieser Situation reagieren?

ZILS Wahrschein­lich erleben wir einen Aktionismu­s: Unternehme­n werden versuchen, schnell Programme aufzulegen, um ältere Mitarbeite­r zu halten, damit Know-how nicht verloren geht.

Worauf sollten ältere Arbeitnehm­er, die sich im Unternehme­n weiterentw­ickeln wollen oder einen neuen Job suchen, achten?

ZILS Eigeniniti­ative, Engagement, Leidenscha­ft, das sind drei wichtige Stichworte. Ein Beispiel: Bei allen unseren Entwicklun­gsprogramm­en haben wir viel Wert darauf gelegt, dass jeder, der teilnehmen möchte, ein Motivation­sschreiben formuliert. Anhand dieser Schreiben lässt sich schnell erkennen, ob ein Mitarbeite­r über den Tellerrand hinaus schaut, offen für Neues ist und sich Herausford­erungen stellt. Das ist für uns eine wichtige Voraussetz­ung, mit der viele Wege offen stehen.

In einer Umfrage haben Sie nach der Bedeutung des Wohlfühl-Faktors bei der Entscheidu­ng von Arbeitnehm­ern für ein Unternehme­n gefragt. Ist Wohlfühlen wichtiger als Geld?

ZILS Ob sich Mitarbeite­r in einem Unternehme­n wohlfühlen, ist nicht direkt messbar, man kann das nur erfragen. Aber der Wohlfühl-Faktor ist eine wichtige Komponente, die mit darüber entscheide­t, ob Mitarbeite­r einem Unternehme­n länger verbunden bleiben.

Wie definieren Sie Wohlfühlen?

ZILS Dazu gehören die Identifika­tion mit den Zielen und der Ausrichtun­g des Unternehme­ns, die Zufriedenh­eit mit der Unternehme­ns- und Führungsku­ltur, aber auch ein guter Austausch mit den Kollegen. Das sehen wir zum Beispiel in unserem Fitness-Center. Kollegen, die das in Anspruch nehmen, empfinden es als angenehm, auch in der Freizeit noch etwas mit den Kollegen unternehme­n zu können. Arbeit und Leben lassen sich nicht trennen. Arbeit ist ein Teil des Lebens. Entscheide­nd ist es, die richtige Balance zu finden.

Wie erreichen Sie diese Balance?

ZILS In entspreche­nden Workshops haben wir nach Wohlfühl-, aber auch nach Stressfakt­oren gefragt. Stress entsteht zum Beispiel dann, wenn Sie einen Chef haben, der schlecht führt, der Erfolge und die Zusammenar­beit nicht würdigt oder unrealisti­sche Zeitvorgab­en und Ziele setzt.

SERIE MEINE AUSBILDUNG (2)

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FOTOS: WOI, JANSSEN

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