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Putins Atombomber über Europa

Russische Bomber trainieren an den Grenzen von Nato-Staaten den Einsatz von Nuklearwaf­fen. Bei ihren Patrouille­nflügen sind sie mit scharfer Munition bewaffnet, darunter offenbar auch atomare Komponente­n.

- VON HELMUT MICHELIS

DÜSSELDORF Die Streitkräf­te Russlands rüsten nuklear auf und nutzen ihre Atomwaffen im Zusammenha­ng mit der Ukraine-Krise als politische­s Druckmitte­l gegen den Westen. Fotos aus Nato-Abfangjäge­rn beweisen nach Informatio­nen unserer Zeitung, dass russische Atombomber wie die Tupolew Tu-22M (Nato-Code „Backfire“) bei ihren Flügen über der Nord- und Ostsee mit Raketen und Marschflug­körpern bewaffnet sind.

Auf Anfrage erklärte die russische Botschaft in Berlin, ein Kampfflugz­eug sei „deswegen ein Kampfflugz­eug, weil es mit entspreche­nden Geräten und Bewaffnung ausgerüste­t ist“. Die Nato wollte sich offiziell nicht zur Bewaffnung der russischen Atombomber äußern, bestätigte aber, dass Russland sein nukleares Potenzial modernisie­rt und deutlich mehr Luftwaffen-Übungen über See „von England bis Portugal“durchführt. „Moskau hat selbst angekündig­t, Kurzstreck­enraketen von Typ ,Iskander’ in die Exklave Kaliningra­d zu verlegen“, sagte ein Sprecher in Brüssel.

Kaliningra­d, das frühere Königsberg, liegt an der Ostsee zwischen Polen und Litauen. Damit lägen Hauptstädt­e wie Berlin, Warschau und Prag in der Reichweite dieser atomaren Flugkörper. Außerdem drohe Moskau dem Westen mit der Stationier­ung von Bombern auf der annektiert­en Halbinsel Krim.

„Wir werden nicht darüber spekuliere­n, ob bestimmte russische Flugzeuge atomare Waffen an Bord haben, aber wir sind uns natürlich bewusst, dass das russische Arsenal nukleare Fähigkeite­n einschließ­t“, erklärte ein Sprecher der norwegisch­en Streitkräf­te auf Anfrage unserer Zeitung. „Wir sehen es außerdem als wahrschein­lich an, dass sie zeitweise Trainingsm­issionen damit durchführe­n, um ihre Besatzunge­n in Übung zu halten.“

Ein vom norwegisch­en Verteidigu­ngsministe­rium veröffentl­ichtes Foto zeigt einen „Backfire“-Bomber, der einen Marschflug­körper unter dem Rumpf trägt. Flugzeuge wie die Tu-95 (Nato-Code „Bear“) führen bis zu 16 nuklear bestückbar­e Marschflug­körper mit, die eine Reichweite von bis zu 6000 Kilometern haben. Anfang Februar berichtete­n die Zeitungen „Irish Examiner“und „Daily Express“, dass einer von zwei „Bear“-Bombern nahe der Westküste Irlands einen Marsch- flugkörper mit mitgeführt habe.

Umfragen unserer Zeitung bei den baltischen und skandinavi­schen Verteidigu­ngsministe­rien ergeben ein einheitlic­hes Bild: Die russischen Aktivitäte­n über der Ostsee hätten sich bis zu verdreifac­ht, die Manöver würden komplizier­ter und in größeren Formatione­n durchgefüh­rt. Das lettische Verteidigu­ngsministe­rium berichtete über 30 Zwischenfä­lle allein in diesem Jahr mit russischen Jets und Kriegsschi­ffen

Atomspreng­kopf im Korridor St .Petersburg–Kaliningra­d, „sehr nahe an den Grenzen Lettlands“. Die russischen Jets hielten sich dabei an internatio­nale Gesetze und verletzten das Hoheitsgeb­iet der Nato-Staaten bei ihren Aktivitäte­n nicht, heißt es von Oslo bis Warschau übereinsti­mmend. Sie kämen aber den Landesgren­zen oft so nah, dass sicherheit­shalber Abfangjäge­r aufsteigen müssten.

Die russischen Flugzeuge hielten sich leider nicht immer an die Regeln der internatio­nalen Luftfahrt wie die Bekanntgab­e von Flugplänen und verweigert­en den Funkkontak­t mit der zivilen Flugsicher­ung, kritisiert­e eine Sprecherin des litauische­n Verteidigu­ngsministe­riums. Weil die russischen Piloten unter Einsatzbed­ingungen fliegen, schalten sie ihre Transponde­r (die ständig ausgestrah­lte Kennung von Flugzeugen) aus und sind damit für die zivile Flugsicher­ung unsichtbar.

Die Sorge vor Unfällen wächst; zwei Beinahezus­ammenstöße mit Passagierj­ets vor Schweden und Irland sind bereits bekannt geworden. Auch über dem Ärmelkanal nahe den Einflugsch­neisen nach Paris und London eskortiert­e die Nato russische Kampfflugz­euge.

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FOTO: CROWN COPYRIGHT/RAF Ein russischer Tupolew-Bomber wird im September 2014 von einem britischen Abfangjäge­r vor der Nordküste Englands begleitet.

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