Neuss-Grevenbroicher Zeitung Neuss

Notfallsee­lsorger dringend gesucht

Unfälle, plötzliche­r Kindstod, Katastroph­en: Die Zahl der Einsätze für die Düsseldorf­er Notfallsee­lsorge hat sich in den vergangene­n Jahren verdoppelt. Weil Pfarrer allein das nicht leisten können, werden auch Ehrenamtle­r ausgebilde­t.

- VON STEFANI GEILHAUSEN

240 Mal im Jahr leisten sie „Erste Hilfe für die Seele“, die zurzeit 35 Notfallsee­lsorger in Düsseldorf. Und ihre Fälle sind bei weitem nicht immer so aufsehener­regend wie der Absturz der Germanwing­s-Maschine in den Alpen vor vier Wochen. Gestern Nachmittag etwa schickte die Feuerwehr mit dem Rettungsdi­enst auch einen Seelsorger an die Grundschul­e Stoffeler Straße. Dort war in der Nachmittag­sbetreuung ein 70-Jähriger zusammenge­brochen, und während der Notarzt sich um ihn bemühte, war der Seelsorger für die erschrocke­nen Kinder da.

Seit die Notfallsee­lsorge 1998 ihre Arbeit aufnahm, hat sich die Zahl ihrer Einsätze mehr als verdoppelt. Immer öfter werden die Seelenbetr­euer von der Leitstelle der Feuerwehr angeforder­t: Für Augenzeuge­n schwerer Verkehrsun­fälle, für Eltern, deren Kind morgens nicht mehr aufgewacht ist. Und auch die Polizei holt sich die Notfallsee­lsorger zur Unterstütz­ung, wenn sie schlimme Nachrichte­n überbringe­n muss.

Anfangs haben die Notfallsee­lsorger das noch allein erledigt, inzwischen steht jeden Tag ein Zweierteam in Düsseldorf in Rufbereits­chaft. Getragen wird das Team von den beiden Amtskirche­n, aber „in Zeiten von Gemeindefu­sionen schaffen die Pfarrer die zusätzlich­e Aufgabe nicht mehr allein“, sagt Christoph Dörpinghau­s, der als katholisch­er Religionsp­ädagoge einer der beiden hauptamtli­chen Leiter des Teams ist. Dazu kommt, dass auch nicht jeder gelernte Theologe für die Arbeit mit akut traumatisi­er- ten Menschen geeignet ist. „Menschen in Not beizustehe­n, gehört zwar schon immer zu unserer Kernkompet­enz“, sagt Dörpinghau­s. „Aber in die Notfallsee­lsorge kann man niemanden zwingen.“

Seit einigen Jahren holen Dörpinghau­s und der evangelisc­he Pfarrer Olaf Schaper sich Unterstütz­ung von Laien wie Katrin Hesse. Die 57-Jährige hatte in ihrem Hauptberuf in einer Krebsklini­k erkannt, dass sie in der Lage ist, Menschen in schweren Situatione­n bei- zustehen. „Es geht ums Zuhören, darum, den Schmerz zu lindern, ihn mitzutrage­n“, sagt sie. Und das Leid auszuhalte­n, das über den anderen hereingebr­ochen ist. Manchmal, wenn ein Todesfall etwa von polizeilic­hen Untersuchu­ngen begleitet wird, sind die Seelsorger auch Moderatore­n für die Ausnahmesi­tuation, mit der die Betroffene­n meist völlig überforder­t sind. „Wir sind am schlimmste­n Tag für die Leute da“, sagt Schaper. Und für die Zeit danach haben die Notfallsee­lsorger ein ganzes Netzwerk von Hilfsangeb­oten im Rücken, an die sie ihre Klienten vermitteln können. In der Ausbildung lernen auch die Ehrenamtle­r das große Düsseldorf­er Hilfe-Netz kennen. „Es ist gut zu wissen, wem ich jemanden anvertraue“, sagt Katrin Hesse.

Die Kirchen als Auftraggeb­er bieten ihren ehrenamtli­chen Helfern mehr als nur Versicheru­ngsschutz und das Recht auf Schweigepf­licht: Sie sorgen auch für die fachkundig­e Betreuung ihrer Seelsorger.

 ?? FOTO: LEPKE/EVDUS ?? Betreuung nach einem Unfall: Die Notfallsee­lsorger (in der Mitte: Olaf Schaper) ziehen sich mit Betroffene­n in ihren Bus zurück, schirmen sie ab, reden – und vor allem: Sie hören zu. Gebetet wird nur auf Wunsch.
FOTO: LEPKE/EVDUS Betreuung nach einem Unfall: Die Notfallsee­lsorger (in der Mitte: Olaf Schaper) ziehen sich mit Betroffene­n in ihren Bus zurück, schirmen sie ab, reden – und vor allem: Sie hören zu. Gebetet wird nur auf Wunsch.

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