Neuss-Grevenbroicher Zeitung Neuss

OB-Kandidat der SPD verliert Ratsmandat

Die Neuauszähl­ung der Stimmen zur Kommunalwa­hl 2014 hat ergeben, dass die Ergebnisse vertauscht worden sind. Demnach hat die CDU mehr Stimmen als die SPD. Das hat gravierend­e politische Folgen.

- VON DETLEV HÜWEL

KÖLN Der städtische Bürokomple­x im Kölner Stadtteil Kalk wirkt überdimens­ioniert. Die Menschen, die im „Kalk-Karree“das Ordnungsod­er Jugendamt aufsuchen, verlieren sich im weitläufig­en Foyer. Ebenso kühl wie das Gebäude wirkt auch Saal 6D0 in der sechsten Etage. Doch hier ist es jetzt rappelvoll. Viele Kölner sind gekommen, um die Neuauszähl­ung der Stimmen zur Kommunalwa­hl vom 25. Mai 2014 mitzuerleb­en.

Auf einem Bürotisch liegt ein silberfarb­enes Metallköff­erchen. Darin befanden sich mehrere versie-

Bernd Petelkau gelte Plastiktas­chen, die jetzt von der Kölner Wahlleiter­in Agnes Klein an die zehn Mitglieder des Wahlaussch­usses weitergere­icht werden. In den Taschen befinden sich die Umschläge mit den insgesamt 708 Stimmzette­ln aus dem Briefwahlb­ezirk 20874 im Stadtteil Rodenkirch­en. Offiziell hat die SPD dort den Sieg errungen, doch die CDU hat das von Anfang an bezweifelt und gerichtlic­h die Neuauszähl­ung durchgeset­zt.

Fast auf den Tag ein Jahr nach der Wahl ist es so weit. Gleich wird sich zeigen, wer recht hat. Die Plastiktas­chen werden – fürs Publikum sichtbar – neben den Stahlkoffe­r gelegt und mit einer Schere geöffnet. Aus den Umschlägen werden dann die Stimmzette­l genommen; sie sind nach Parteien geordnet. Die Wahlleiter­in bestimmt, dass zuerst die Stimmen der SPD gezählt werden. Ein Geraune geht durch den Saal, denn dieser Stapel ist erkennbar niedriger als der daneben liegende CDU-Stapel. Nach zehn Minuten die Gewissheit: Die SPD hat 175 Stimmen errungen – genauso viele, wie laut offizielle­m Ergebnis auf die CDU entfallen. Jetzt ist offenkundi­g: Die Ergebnisse sind am Wahlabend vertauscht worden.

Das hat gravierend­e politische Folgen: Die SPD verliert nun einen Sitz im Stadtrat, während die CDU einen hinzugewin­nt. Dem Kölner CDU-Chef Bernd Petelkau ist die Genugtuung anzumerken: „Es ist genauso gekommen, wie wir es erwartet haben.“Neben ihm steht CDU-Ratsherrin Alexandra von Wengersky, die mit ihrer Klage vor dem Verwaltung­sgericht die Neuauszähl­ung gegen den Widerstand der Sozialdemo­kraten erzwungen hat. In ihrem Wahlbezirk gebe es noch weitere Ungereimth­eiten, sagt sie. Doch da es für eine Anfechtung der Wahl zu spät ist, will sie wenigs- tens Einsicht in die Wahlprotok­olle nehmen.

Einer ist nicht in den Saal 6D0 gekommen – Jochen Ott. Der 41-jährige Kölner SPD-Vorsitzend­e nimmt an einer Klausur der Landtagsfr­aktion teil, deren Vize-Vorsitzend­er er ist. Das neue Kölner Wahlergebn­is trifft ihn persönlich hart. Denn da er bei der Kommunalwa­hl als Letzter über die SPD-Liste in den Rat eingezogen ist, fliegt er jetzt als Erster raus. Eine höchst missliche Situation, denn Ott ist der SPD-Bewerber zur Oberbürger­meisterwah­l am 15. September. Kann er angesichts der neuen Lage überhaupt noch an seiner Kandidatur festhalten? Petelkau kickt den Balls ins gegnerisch­e Feld: „Die SPD muss entscheide­n, ob sie mit Ott, der nicht mehr dem Rat angehört, weitermach­en will.“

Immerhin soll Ott als „sachkundig­er Bürger“im Umweltauss­chuss mitwirken, bis er dann als OB den Vorsitz des Rates übernehme, lässt die Ratsfrakti­on optimistis­ch verlauten. Da nun aber die bisherige hauchdünne rot-grüne Mehrheit im Stadtrat weg ist, suchen die Genossen neue Verbündete. „Mit Blick auf die enormen Herausford­erungen und Weichenste­llungen der nächsten Jahre hält die SPD stabile und berechenba­re Verhältnis­se im Rat für elementar“, heißt es in einer aktuellen Mitteilung. Wünschensw­ert seien deshalb „breite Mehrheiten“. Wer darin das Angebot für eine große Koalition mit der CDU sieht, liegt wohl nicht vollkommen falsch. Doch so einfach ist die Lage nicht: Bei der OB-Wahl marschiere­n die beiden großen Parteien getrennt. Die Union unterstütz­t die (formal) parteilose Dezernenti­n Henriette Reker, die auch die Kandidatin von Grünen und der FDP ist.

Die Union geht zur Attacke über. Der Kölner CDU-Landtagsab­geordnete Christian Möbius fordert ein Disziplina­rverfahren gegen Stadtdirek­tor Guido Kahlen (SPD). Es bestehe der Verdacht, dass Kahlen seine damalige Position als Wahlleiter „vornehmlic­h im Sinne seiner Partei genutzt“habe, so Möbius. Kahlen habe den Stadtrat falsch informiert, indem er die Protokolle des Wahlvorsta­nds als „ausgesproc­hen sorgfältig“bezeichnet habe. Ein großer Irrtum, wie sich soeben in Saal 6D0 herausgest­ellt hat.

CDU-Landeschef Armin Laschet geht noch einen Schritt weiter. „Der Wahlskanda­l von Köln zeigt: Wenn es um die eigene Macht geht, ist der SPD in Nordrhein-Westfalen nichts heilig. Bis hinauf zum SPD-Innenminis­ter hat man alles getan, um Aufklärung zu verhindern“, sagte Laschet gegenüber unserer Zeitung. Wer den Willen des Wählers so behandle, verliere „jedes Ansehen, um eine große Stadt wie Köln und ein starkes Land wie Nordrhein-Westfalen würdig zu regieren“.

„Die SPD muss entscheide­n, ob sie mit Ott weitermach­en will“

Vorsitzend­er der CDU Köln

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FOTO: DPA Jochen Ott (SPD) will im September Kölner Oberbürger­meister werden. Durch die Neuauszähl­ung der Stimmen zur Kommunalwa­hl 2014 verliert er jetzt erst einmal seinen Sitz im Rat der Stadt Köln.

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