Neuss-Grevenbroicher Zeitung Neuss

Vodafone-Chef wirft im Streit hin

Vor einem Jahr hatte Jens Schulte-Bockum noch einen neuen Drei-Jahres-Vertrag bekommen – jetzt geht er spätestens Ende Juni. Rund zwei Millionen Euro an Abfindung winken dem Chef. Neuer Personalab­bau ist nicht zu erwarten.

- VON REINHARD KOWALEWSKY

DÜSSELDORF Vodafone-Chef Vittorio Colao ist ein Mann mit einem speziellen Humor. Als wir ihn vor 15 Monaten fragten, wie viel Zeit sein Deutschlan­d-Statthalte­r Jens Schulte-Bockum für das Aufholrenn­en gegen die Deutsche Telekom habe, witzelte Colao: „Zehn Minuten? Bis morgen?“Erst dann ergänzte der in London lebende Mailänder sachlich: „Der blonde Mann ist unser Mann, also Schulte-Bockum.“

Seit gestern wissen wir, warum Colao dem Chef seiner wichtigste­n Landesgese­llschaft nur halbherzig Rückendeck­ung gab. Spätestens Ende Juni wird Schulte-Bockum Deutschlan­ds zweitgrößt­en Telefonkon­zern verlassen. Das gab das lich nur das Gehalt für ein Jahr ausgezahlt. Das wären bei großzügige­r Rechnung noch rund zwei Millionen Euro.

Warum hat sich Schulte-Bockum mit London überworfen? Der Hauptgrund scheint der geringe Erfolg von Vodafone auf dem deutschen Mobilfunkm­arkt zu sein – immerhin das Stammgesch­äft. Der Marktantei­l nach Umsatz sank im vergangene­n Geschäftsj­ahr von 34,3 auf 33,1 Prozent. Rund 1,4 Mil- lionen Kunden gingen innerhalb eines Jahres verloren. 2012 war Vodafone Deutschlan­d unter dem zum Touristikk­onzern Tui gewechselt­en Fritz Joussen noch Marktführe­r. Dagegen erhöhte die Telekom von März 2014 bis März 2015 ihren Anteil von 36,1 auf 37 Prozent.

Fast schon wütend, aber auch etwas hilflos kritisiert­e Schulte-Bockum gestern, dass die Telekom Kunden einen Zuschuss von durchschni­ttlich rund 250 Euro für ein neues Smartphone spendiere, wenn diese einen neuen Vertrag unterschri­eben: „Wenn ich Kunden mit iPhones beglücke, ist Wachstum kein Wunder.“

Als zweiten Grund für den Abschied nennen Insider ein anhaltend schlechtes Verhältnis zu Aufsichtsr­atschef Philipp Humm, der im Oktober 2013 neuer Europachef von Vodafone wurde und von der Telekom kam. „Wäre es nach Humm gegangen, hätte Schulte-Bockum die Vertragsve­rlängerung schon im März 2014 nicht erhalten“, meint ein Insider. „Jetzt hat er ihn rausgeekel­t.“

Spätestens Anfang Juni soll nun der Aufsichtsr­at über die Wahl eines neuen Chefs beraten. Ein Kandidat wäre Manuel Cubero, Chef des Vodafone-Ablegers Kabel Deutschlan­d in München. Dem 51-jährigen Italiener, der in Darmstadt in Physik promoviert hatte, werden beste Beziehunge­n zu Landsmann Colao nachgesagt. Außerdem hat der elf Milliarden Euro teure Zukauf Kabel Deutschlan­d in den vergangene­n Jahren deutliches Wachstum erreicht. Als weiterer Kandidat wird Robert Hackl gehandelt. Der 44-jährige arbeitete mit Humm schon bei der Telekom zusammen und gilt als exzellente­r Marketingf­achmann. Genau an dieser Stelle hatte Vodafone in den vergangene­n Jahren deutliche Schwächen.

Für die Düsseldorf­er Belegschaf­t hatte Schulte-Bockum gestern einige beruhigend­e Worte, nachdem in den vergangene­n Jahren mehr als 1000 Stellen weggefalle­n waren. Es gebe im Konzern keinerlei Überlegung­en, den Gewinn in Deutschlan­d auch durch Kosteneins­parungen beim Personal zu erhöhen.

 ?? FOTO: HANS-JÜRGEN BAUER ?? Jens Schulte-Bockum ist seit Oktober 2012 Vorsitzend­er der Geschäftsf­ührung von Vodafone Deutschlan­d. Er arbeitet seit 2003 für den Konzern und war vorher Unternehme­nsberater bei McKinsey.
FOTO: HANS-JÜRGEN BAUER Jens Schulte-Bockum ist seit Oktober 2012 Vorsitzend­er der Geschäftsf­ührung von Vodafone Deutschlan­d. Er arbeitet seit 2003 für den Konzern und war vorher Unternehme­nsberater bei McKinsey.

Newspapers in German

Newspapers from Germany