Neuss-Grevenbroicher Zeitung Neuss
Das großartige neue Album von Hot Chip
DÜSSELDORF Im Grunde kann die Londoner Band Hot Chip keine wirklich schlechte Platte aufnehmen, sie hat nämlich Alexis Taylor zum Sänger, und der ist mit der schönsten Jungsstimme im Pop seit Morten Harket von a-ha gesegnet. Man muss sich nur mal „Easy To Get“anhören, das beste Stück auf dem neuen Album „Why Make Sense?“– es macht einen ganz weich. „From the Moment I saw you / There is something about you“, singt Alexis Taylor, und man möchte gleich das Telefon herausholen, um jemanden anzurufen, den man schon sehr lange sehr gern hat, und ihn einladen zum gemeinsamen Hot-Chip-Hören.
„Why Make Sense?“ist denn auch eine ziemlich gute Platte geworden, womöglich die beste dieser Band, was indes nicht ausschließlich an Alexis Taylor liegt. Hot Chip dürfte zuletzt viel Daft Punk gehört haben sowie jene Künstler, auf die sich die Roboter aus Paris ihrerseits berufen: Chic, Imagination, Frankie Knuckles, Larry Heard. So voller Seele klang die Band jedenfalls nie zuvor, so warmherzig, soulig groovend und funky. Die Synthesizer sind in Gala-Stimmung, alles glitzert und blinkt, und die Melancholie in Alexis Taylors Versen bricht das Vorgefühl einer rauschenden Nacht.
Hot Chip haben als Nerd-Band begonnen, als hornbrillentragende Auskenner und sweatshirt-bunte Ironiker. Und nun, nach 15 Jahren Bandgeschichte und sechs Alben, sind sie so etwas wie die jüngeren Geschwister der Pet Shop Boys, die New Order des Jahres 2015, und sie blicken auf einen faszinierenden Katalog von Hits zurück: „Boy From School“, „Over And Over“, „Ready For The Floor“, „One Life Stand“.
Joe Goddard, der mit Alexis Taylor zur Schule ging und mit ihm für Prince schwärmte, baut die Beats und konstruiert die Arrangements, und wie weit er vorgedrungen ist in der alchemistischen Kunst, den perfekten Popsong zu schaffen, wie weit er sich vom effektverliebten Fricklertum der frühen Tage entfernt hat, zeigt das fantastische Stück „Dark Night“: Mit einen verwehten Gitarrenakkord beginnt es, dann übernehmen die Synthesizer. Künstliche Streicher geben der Komposition Dichte, der sehnsüchtige Gesang wird gedoppelt, die Beats werden leicht abgefedert. Ein wunderschönes Lied.
So geht es weiter, stets ein wenig langsamer und gedimmter als von Hot Chip gewohnt, weswegen sich hier auch kein Feten-Hit wie „How Do You Do?“findet. „Why make sense, when the world around refuses? / Why be tough, when strength is just for losers?“, singt Alexis Taylor im Titelstück.
Man weiß die Antwort auch nicht. Aber man nickt sehr einverstanden.
Hot Chip: