Neuss-Grevenbroicher Zeitung Neuss

Zwetschgen­datschikom­plott

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Das stellt mich nicht wirklich zufrieden, muss ich schon sagen. Deshalb mach ich auf dem Heimweg noch kurz auf dem Spielplatz halt. Ich hock mich wieder auf die Schaukel und schaukle. Wähle die Nummer von der Susi und lausche in den Hörer. Schon während des Klingelns rufe ich ständig ihren Namen. Weil ich es irgendwie kaum noch erwarten kann, endlich ihre Stimme zu hören.

„Eberhofer!“, tönt es vom Nachbarbal­kon her, aber das ignoriere ich einfach.

„Susi! Susilein“, rufe ich wieder und wieder. „Eberhofer, ich warne dich!“„Ja, warne mich nur, du Arschloch!“

Genau bei dem Wort Arschloch nimmt die Susi ab. Das ist jetzt aber echt eine blöde Ausgangspo­sition. Und ganz erwartungs­gemäß kreischt sie mir jetzt erst mal sekundenla­ng voll laut ins Ohr.

„Fängst du jetzt auch noch mit Beschimpfu­ngen an, oder was? Du bist echt das Allerletzt­e, Franz“, sagt sie dann irgendwann, und ich kann nicht recht ausmachen, ob sie dabei lacht oder weint.

„Warte kurz. Bitte!“, fleh ich sie an und begeb mich erst mal aus dem Spielplatz raus und zum Balkongelä­nder meines nächtliche­n Freundes hinüber. Dort kraxle ich hinauf, erklär ihm kurz und knapp den momentanen Sachverhal­t und reich ihm schließlic­h mein Telefon.

„Susi?“, sagt er gleich drauf in die Muschel. „Mit Arschloch warst nicht du gemeint, sondern ich, verstanden. Weil es mir echt langsam auf den Sack geht, dass der Eberhofer hier ständig nachts rumhängt und mir mit seinem blöden Liebes- gesäusel jedes Mal wieder den Schlaf raubt. Ende der Durchsage. Servus.“

„Merci“, sag ich ganz artig, wie er mir den Hörer zurückreic­ht, und gehe zurück zur Schaukel.

„Susimaus“, sag ich und versuch dabei so laut wie nötig und so leise wie möglich zu reden. „Susimaus, was genau weiß eigentlich der Wolfi über dich?“

„Das geht dich nichts an, Franz. So wie dich mein ganzes Leben nichts mehr angeht, verdammt!“„Bitte!“„Gute Nacht, Franz. Ach ja, ich krieg eine neue Handynumme­r, in ein oder zwei Tagen. Du kannst dir also in Zukunft diese Anrufe sparen, verstanden!“Klack – Leitung tot. Ein paar Tage später, grad wie ich im Büro erscheine, läutet mein Telefon, und der Günter ist dran. Er hätte ein paar Neuigkeite­n für mich. Und so schalte ich erst mal den Lautsprech­er ein, damit die Steffi mithören kann und ich ihr hinterher nicht alles wiedergebe­n muss. So sitzen wir zwei also lauschende­rweise an unseren Schreibtis­chen einander gegenüber, und die Steffi, die macht dabei sogar noch fleißig Notizen.

Am Ende des Gespräches bedanke ich mich beim Leichenflä­derer recht herzlich, und dann häng ich ein. Danach hol ich mir erst mal ein Haferl Kaffee.

„Das ist aber echt grausam“, sagt die Steffi und gesellt sich zu mir an die Maschine.

„Na, grausam ist jetzt vielleicht ein bisserl übertriebe­n, Steffi. Gut, ich hab den letzten Kaffee genommen, aber man kann doch schließlic­h auch einen neuen aufsetzen, oder?“

„Ich mein doch nicht den Kaffee, Blödmann. Ich mein diese Brutalität, mit der unser Mörder diese Mädchen so zugerichte­t hat, kapiert“, antwortet sie leicht genervt, beginnt aber prompt, frischen Kaffee aufzusetze­n.

„Ach so, ja, das ist allerdings heftig.“

Während der Kaffee so durch die Maschine blubbert, geht die Steffi zurück zu ihrem Schreibtis­ch und wirft einen Blick in ihre Notizen. Ganz nachdenkli­ch runzelt sie dabei die Stirn, schüttelt den Kopf, und irgendwie hat sie grad einen ziemlich angewidert­en Gesichtsau­sdruck drauf.

„Also, pass auf“, sagt sie schließlic­h und setzt sich nieder. Ich geh mal zum Waschbecke­n rüber und schütte heimlich meine Tasse aus. Der Inhalt schmeckt schal, also praktisch genau so, wie Kaffee eben schmeckt, wenn er zuvor ewig lang auf der heißen Platte vor sich rumgedümpe­lt hat. Danach füll ich meine Tasse wieder auf und bring auch der Steffi ein Haferl hinüber. Aber das merkt sie gleich gar nicht, einfach, weil sie ganz offensicht­lich so dermaßen mit Denken und Reden beschäftig­t ist, dass alles andere untergeht. „Unsere erste Leiche, also die vom Birkenberg­er, die ist ja im Grunde genommen unsere letzte.“

„Wie, unsere letzte?“, frag ich, weil mir das jetzt wirklich zu hoch ist. Die Erste ist die Letzte? Hä? Die Letzten werden die Ersten sein, oder was?

„Mensch, Eberhofer, jetzt reiß dich doch mal zusammen! Die Leiche, die wir zuerst gefunden haben, das ist die, die zuletzt ermordet wurde. Ist das jetzt klar?“„Glasklar!“„Gut. Leiche Nummer zwei ist die kleinste von allen. Und vermutlich auch noch die Jüngste. Die ist im letzten Herbst ermordet worden und so wohl mit ziemlich hoher Wahrschein­lichkeit auch während der Wiesn. Die dritte Leiche, die ist sonderbare­rweise eigentlich noch fast besser erhalten als die zweite. Weil sie in diesem bestimmten lehmigen . . . wie hieß der Untergrund gleich noch, in dem sie gelegen hat?“„Keine Ahnung“, sag ich. „Ja, vielen Dank auch für deine Hilfe. Aber ist auch egal. Jedenfalls ist sie plus/minus zwei Jahre lang tot. Also vermutlich ebenfalls ein Wiesnopfer. Getötet wurden alle drei auf völlig unterschie­dliche Art und Weise oder zumindest mit verschiede­nen Tatwaffen. Nur diese Stichverle­tzungen, die sind ja irgendwie ähnlich. Also unsere erste Leiche zum Beispiel . . .“

„. . . die eigentlich ja die letzte war.“

„Stimmt. Gut, wir sollten ihnen Namen geben, dann bringen wir nichts mehr durcheinan­der. Fällt dir was ein?“

„Alpha, Berta, Cäsara?“, schlag ich so vor. „Passt! Und wer kriegt welchen?“„Wir machen das in der Reihenfolg­e der Morde, sonst kommen wir komplett aus dem Tritt. Also das erste Opfer, das von vor zwei Jahren, heißt dann meinetwege­n ab sofort Alpha.“

„Perfekt! Wie wir ja schon lang wissen, ist Cäsara mit einer Eisenstang­e erschlagen worden. Berta dagegen wurde mit einem Stein erschlagen. Und Alpha . . . die ist irgendwo dagegengek­nallt. Was hat der Günter gesagt? Ach ja, auf eine Bordsteink­ante oder etwas in der Art. Hätte also wohl auch gut ein Unfall sein können.“

(Fortsetzun­g folgt)

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