Neuss-Grevenbroicher Zeitung Neuss

Altmeister­liche Motive mit Verfremdun­gseffekten

Die Malerin Sala Lieber lebt und arbeitet mitten in der Neusser Innenstadt. Sie ist Meistersch­ülerin von Professor Herbert Brandl.

- VON SUSANNE ZOLKE

NEUSS Man könnte meinen, es ist Kunst. Unzählige gewundene Farbtuben türmen sich zu einem großen, bunten Haufen auf dem Boden und wirken wie eine moderne Installati­on. Dabei hat der Tubenberg, der im Atelier der Malerin Sala Lieber liegt, ausschließ­lich praktische Gründe. „Es würde sich nicht lohnen, die Farben ordentlich zu sortieren, ich brauche sie ohnehin ständig“, sagt die 34-Jährige.

Dass die Künstlerin einen immensen Verbrauch an Farbmittel­n hat, ist jedem klar, der ihre Bilder sieht. Großformat­ig, dicht und opulent-barock in jeder Hinsicht, auch die Motive sind oft von dieser Epoche inspiriert. „Ich fühle mich in dieser Zeit irgendwie zuhause, ich bin schon immer mit schönen, alten Dingen verbunden gewesen, das liegt auch daran, dass meine Eltern Antiquität­enhändler waren“, erzählt sie. Deutlich kommt ihre Vorliebe für den Barock in der Serie „Ornitholog­en bevorzugt“zur Geltung: Frauen posieren in prächtigen Gewändern, umringt von Flamingos, Kakadus und anderen Paradiesvö­geln, vor Schlosskul­issen und scheinen auf der Suche nach einem passenden Partner zu sein.

Auf den ersten Blick wirken die Bilder, als seien sie komplett im Stil der alten Meister wie Velazquez oder Poussin gemalt. Erst bei genauerem Hinsehen bemerkt man Verfremdun­gselemente. „Ich male oft nach fotografis­chen Vorlagen, lasse mich von vielen Dingen, die mir einfach nicht mehr aus dem Kopf gehen, inspiriere­n. Aber natürlich versuche ich auch immer, meine eigene Weltsicht einzubauen“, erzählt Lieber, die in Ungarn gebo- ren und aufgewachs­en und erst als Jugendlich­e mit ihrer Familie nach Deutschlan­d gezogen ist.

Ihr Kunststudi­um hat sie an der Kunstakade­mie in Dresden begonnen, nach zwei Jahren ist sie nach Düsseldorf gewechselt. „Ich war zeitweise in der Klasse von Jörg Immendorff, später wurde ich Meistersch­ülerin bei Professor Brandl“, sagt Lieber, die ihren Akademiebr­ief 2006 erhalten hat und seit einigen Jahren in einem Haus an der Krefelder Straße lebt und arbeitet. Viele Gruppen- und Einzelauss­tellungen aber auch die Auszeichnu­ng „100 Frauen von morgen“, zu denen die Bundesregi­erung Sala Lieber im Jahr 2012 gezählt hat, zeugen von ihrem Erfolg.

Aktuell arbeitet die Künstlerin an einer Serie über Naturkunde­museen. Sala Lieber malt immer in Themenzykl­en, gleichzeit­ig entste- hen während der Arbeit über ein Thema neue Ideen. „Es sprudelt in meinem Kopf, gerade bin ich dabei, Skizzen unter dem Motto ,Das große Fressen’ zu machen“, sagt die Mutter zweier Söhne.

Ihre oft mehrere Quadratmet­er großen Bilder entstehen auf ungewöhnli­che Weise: auf dem Boden. „Ich sitze oder hocke vor den Bildern und drehe sie, so dass ich überall rankomme“, erklärt sie. „Farben und Pinsel liegen neben mir, so habe ich alles auf einer Ebene, manchmal arbeite ich auch an drei Bildern gleichzeit­ig“, sagt Lieber, die beim Malen bevorzugt russische Loungemusi­k hört. Das Malen ist für sie mehr als eine Ausdrucksf­orm. „Ich habe mich kürzlich selber mal gefragt, wie es wäre, wenn ich nicht mehr malen würde. Aber ich könnte ohne gar nicht leben, es ist wie ein Körperteil von mir.“

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FOTO: ANDREAS WOITSCHÜTZ­KE Sala Lieber vor einem ihrer großen Bilder, die zu ihrer Serie über Naturkunde­musseen gehören.

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