Neuss-Grevenbroicher Zeitung Neuss

Einmal Hemingway für die Bühne bearbeiten

John von Düffel hat Thomas-Mann-Romane für die Bühne adaptiert, würde das auch gerne mit „Der alte Mann und das Meer“tun.

- VON HELGA BITTNER

NEUSS Er schreibt Romane, er bearbeitet Romane, er begleitet als Dramaturg Theaterpro­duktionen, er dreht Filme, er ist Professor an der Uni, er übersetzt englischsp­rachige Schriftste­ller, er schreibt Hörspiele – der Tag muss für einen John von Düffel doch mindestens 36 Stunden haben, oder? Der 48-jährige lacht. Ein Workoholic sei er nicht, sagt er schmunzeln­d, „aber ein Frühaufste­her“.

Jeden Morgen ist er etwa zwei Stunden vor der Familie auf den Beinen, sitzt an seinem Schreibtis­ch in Potsdam, wo er heute wohnt, und arbeitet, bevor dann die Familie um sieben Uhr aufsteht und sich für den Tag bereit macht. „Dadurch bekomme ich sehr viel hin“, sagt John von Düffel, „und habe trotzdem viel Zeit für die Familie.“Jüngst hat er mit „KL - Gespräch über die Unsterblic­hkeit“, eine fiktive Begegnung mit einem Modemacher, der Karl Lagerfeld sehr ähnlich ist, wieder mal ein eigenes Buch vorgelegt. Allerdings gibt es da auch noch diesen festen Job, denn John von Düffel ist Dramaturg am Deutschen Theater Berlin.

Bei aller Leidenscha­ft für den Beruf rund ums Wort – John von Düffel wirkt nicht im mindesten wie ein Mensch, der sich darin vergräbt. Von seiner Fähigkeit, Dingen, Menschen und Ereignisse­n den richti- gen Ausdruck zu geben, profitiert sein persönlich­er Gesprächsp­artner ebenso wie eine ganze Versammlun­g von Zuhörern. Sein Vortrag zum Thema „Dramatisie­rung von Romanvorla­gen“bei der Förderprei­sverleihun­g des RLT-Theaterför­dervereins am 28. Mai wird also keine trockene Kost, sondern höchstlebe­ndige Erzählung werden.

Zumal da das Landesthea­ter in der nächsten Saison mit einem Stück startet, das von Düffel verfasst hat. Thomas Manns Roman „Joseph und seine Brüder“wurde von ihm für das Theater adaptiert, Bettina Jahnke wird inszeniere­n. Die Uraufführu­ng war 2009 am Düsseldorf­er Schauspiel­haus und aus seiner Sicht unter der Regie von Wolfgang Engels „ein ganz erfüllende­s Erlebnis“. Das Stück sei aus dem Ensemble heraus erzählt worden, sagt er: „Die Aufführung war ein Glücksmome­nt für mich und auch für die Bearbeitun­g.“Denn danach sei sie wiederholt an anderen Theater gespielt worden. Also ist eine geglückte Uraufführu­ng ausschlagg­ebend? Zumindest hilft sie, sagt er, aber schränkt auch ein: „Am Ende muss man sich am Autor messen lassen.“Wobei es ihm immer um eine andere Lesart, eine Interpreta­tion des Romanstoff­s geht, nicht um das „dramatisch­e Ausspielen“.

Ob Thomas Mann, Joseph Conrad Tolstoi oder Fontane – für John von Düffel ist jede Beschäftig­ung mit anderen Autoren ein Gewinn. „Weil ich gerne das Andere erlebe und damit arbeite“, sagt er, „dazu gehört auch das Ringen um Verständni­s, der Abstand, den man zu sich selbst gewinnt.“Gibt es einen Roman, den er gerne für die Bühne adaptieren würde? „,Der alte Mann und das Meer’ von Hemingway“, kommt es prompt zurück. Doch in dem Fall gebe es große Probleme mit den Rechten. „Wie auch bei vielen zeitgenöss­ischen Autoren“, ergänzt er.

Wenn es überhaupt einen Nachteil für einen Bearbeiter fremder Stoffe gebe, dann diesen: „Ich kann keine Romane mehr lesen, ohne gleich nachzudenk­en“, sagt er und lacht, „deswegen bin ich ein Freund von Kurzgeschi­chten geworden.“

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