Neuss-Grevenbroicher Zeitung Neuss

Kreis will höhere Müllgebühr­en vermeiden

Setzt die Landesregi­erung ihre Pläne für einen Abfallwirt­schaftspla­n durch, drohen höhere Müllgebühr­en – so sieht es die Kreisverwa­ltung. Sie behält sich eine Klage vor und prüft gleichzeit­ig Wege, um die Landesrege­lung zu umgehen..

- VON FRANK KIRSCHSTEI­N

RHEIN-KREIS Kommunen, die ihre Siedlungsa­bfälle in Müllverbre­nnungsanla­gen entsorgen lassen, sollen die entspreche­nden Aufträge künftig nur noch in begrenzten Regionen ausschreib­en dürfen. Der Rhein-Kreis sieht damit den Wettbewerb ausgehebel­t und befürchtet für sein Gebiet letztlich ungünstige­re Konditione­n beim Vertragsab­schluss. Die Folge wären höhere Müllgebühr­en für die Bürger. Zwar ist der neue Abfallwirt­schaftspla­n (AWP) noch nicht in Kraft, der Kreis sieht sich aber dennoch in Zugzwang: Zum 1. Januar 2017 will er seine Restabfall­entsorgung neu ausschreib­en. Dabei sollten eigentlich möglichst viele Bieter Angebote abgeben können, dann jedoch sickerten die ersten Infos über den AWP durch: Erst war die Rede von einer Region mit acht Müllverbre­nnungsanla­gen, derer sich der Kreis bedienen könne. Nach einer Neufassung der AWP-Pläne sind es jetzt sogar nur noch vier.

Im Kreisaussc­huss holte sich Landrat Hans-Jürgen Petrauschk­e jetzt – bei Gegenstimm­en der Grünen und Enthaltung­en von SPD und Piraten – das Mandat, gegen die Umsetzung des AWP zu klagen oder Beschwerde bei der Europäisch­en Kommission einzulegen. Der Kreis befürchtet nicht nur steigende Gebühren für die Bürger, sondern auch rechtliche Risiken bei seiner Ausschreib­ung. Möglicherw­eise müsse der Kreis mit Klagen von Müllverbre­nnungsanla­gen rechnen, so Petrauschk­e. Dabei sei es unerheblic­h, ob der Kreis nach den zu erwartende­n Vorgaben des AWP ausschreib­e oder nicht. In beiden Fällen könnten sich Betreiber von Müllverbre­nnungsanla­gen benachteil­igt und vom Wettbewerb ausgeschlo­ssen sehen. „Uns geht es nicht ums Klagen, aber wir brauchen Rechtssich­erheit und wollen günstige Gebühren im Sinne unserer Bürger“, sagte Kreisumwel­tdezernent Karsten Mankowsky. Dürfe der Kreis, wie vom Land geplant, nur noch eingeschrä­nkt ausschreib­en, drohten Preisnacht­eile bis zu 100 Euro pro Tonne Müll, der verbrannt werden soll. Auch ökologisch betrachtet sei der AWP zweifelhaf­t, da die geplanten Entsorgung­sregionen nahegelege­ne Verbrennun­gsanlagen teils nicht berücksich­tigten und die Effizienz der Anlagen nicht gewichtet würden. Fakt sei, so der Kreis, dass in NRW ein Überangebo­t an Verbrennun­gskapazitä­t bestehe. Das Land versuche nun, den Preisverfa­ll zu stoppen. „Und das zu Lasten der Bürger mit einem unnötigen Eingriff in die kommunale Selbstverw­altung“, kritisiert­e Wolfgang Wappenschm­idt (CDU). Die Konsequenz­en könnten, so Carsten Thiel (UWG), neben allgemein steigenden Belastunge­n für die Bürger auch höhere Müllgebühr­en für Selbstanli­eferer an den Deponien sein: „Dann bekommen wir ein Problem mit wilden Müllkippen.“

Möglicherw­eise gelingt es dem Kreis jedoch noch, den AWP zu umgehen. Mankowsky stellte im Ausschuss die Idee vor, den Müll nicht mehr als „gemischte Siedlungsa­bfälle“sondern als „Abfall aus Abfallbeha­ndlungsanl­agen“zu deklariere­n. Hört sich bürokratis­ch an, könnte aber wichtig sein: Damit würden AWP-Vorschrift­en nicht gelten. Die Abfallaufb­ereitungsa­nlagen im Kreis, so Mankowsky, seien dafür geeignet. Derzeit werde die Idee geprüft. Ist sie machbar, könnten Prozesse überflüssi­g werden.

Landrat Petrauschk­e, aber auch Horst Fischer (SPD) und Wappenschm­idt (CDU) lobten ausdrückli­ch die kreative Idee aus Mankowskys Dezernat. Erhard Demmer (Grüne) sprach von einer „neuen Perspektiv­e“, die der Dezernent aufgezeigt habe. Besonders der CDU war wichtig, den Urheber der Idee herauszust­ellen – ein Seitenhieb auf Hans Christian Markert, Landratska­ndidat von SPD, Grünen, Linken, Piraten und Die Aktive, der sich vor der Sitzung mit dem gleichen Ansatz zu Wort gemeldet hatte. „Nach einem Gespräch mit unserer kreativen Kreisverwa­ltung“, wie Petrauschk­e betonte. CDU-Fraktionsc­hef Dieter Welsink sah es so: „Wenn man sich mit fremden Federn schmückt, ist das ein komischer Wahlkampf.“

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ARCHIVFOTO: LBER Der Müll aus dem Rhein-Kreis wird in speziellen Anlagen auf der Deponie sortiert und aufbereite­t.

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