Neuss-Grevenbroicher Zeitung Neuss

Oberbürger­meister Geisel enttäuscht die Wirtschaft

Stadtoberh­aupt wird nach Auftritt bei der IHK-Vollversam­mlung zum Diskussion­sthema.

- VON H. ONKELBACH UND U.-J. RUHNAU

Thomas Geisel ist im Stress. Pünktlich schafft er es zu fast keinem Termin, weil er meist noch auf einem anderem feststeckt. Unter der Fülle von Mandaten und Veranstalt­ungen leidet aber offenbar die Qualität der Vorbereitu­ng. Das war in den ersten Monaten des Jahres bei manchem Empfang zu bemerken, wo Geisel aus dem Stegreif freundlich, aber nicht eben vielsagend sprach. Zuweilen führt dieser Habitus zu Ent- täuschunge­n, so jüngst bei einer Veranstalt­ung im Rathaus, und auch der Auftritt bei den Düsseldorf­er Jonges am Dienstagab­end hinterließ ein zwiespälti­ges Echo. Das Radschlage­n und Querflöten­spiel auf der Bühne kam an, nach den Versprechu­ngen des Wahlkampfe­s störten sich einige der Jonges aber an den vielen Unverbindl­ichkeiten.

Der erste Auftritt Geisels vor der Vollversam­mlung der Industrieu­nd Handelskam­mer (IHK) am Montag ist in ungewohnt heftiger Weise kritisiert worden. „Unterirdis­ch, schnoddrig, platt“, hieß es von Teilnehmer­n der Runde. Der Grund: Geisel hatte sich zu Beginn seiner Rede offen dazu bekannt, lieber frei zu sprechen, als auf das Briefing einzugehen. Das sorgte wegen der vielen Absprachen im Vorfeld für Enttäuschu­ng, denn gewünscht war ein fundierter Vortrag über Düsseldorf­s Perspektiv­en als Wirtschaft­sstandort und vor allem Ausführung­en zur Kooperatio­n beim Thema Existenz- gründung. „Das hat er nur angerissen“, sagt der ehemalige IHK-Vizepräsid­ent Manfred Kronen, „eine programmat­ische Rede war das nicht.“Geisel erklärte lediglich, er wünsche sich die Stadt als Adresse für Start-up-Unternehme­n der Digital-Branche. „Das war so, wie sich Lieschen Müller eine solche Aussage vorstellt“, schimpfte ein anderer Zuhörer. Ganz anders sei der Auftritt von Thomas Hendele, des Mettmanner Landrates, im vergangene­n Jahr gewesen. Er habe sich perfekt auf die Erwartunge­n eingestell­t.

Kronen hofft, „dass Geisel noch in die OB-Rolle hineinwäch­st“, und Renate Kölbel, ebenso Ex-Vizepräsid­entin, wünscht sich „mehr Substanz und dass die Ankündigun­gen auch umgesetzt werden“. Sie lobt wie Kronen, dass Geisel frei gesprochen habe. Geisel selbst verzeichne­t „viele positive Reaktionen“. Er sei wie IHK-Präsident Lehner „ein Vorsitzend­er des Vereins der freien Aussprache“. Kritiker könnten sich gerne bei ihm melden.

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