Neuss-Grevenbroicher Zeitung Neuss

SEK-Kräfte suchen entflohene­n Räuber

Schwerverb­recher Sirat Ates (27) befindet sich mit seiner ehemaligen Mittäterin Nadia Lohja (22) auf der Flucht. Die Frau hatte den in der LVR-Klinik in Bedburg-Hau inhaftiert­en Straftäter nach einem Arztbesuch mit Waffengewa­lt befreit.

- VON LUDWIG KRAUSE UND PETER JANSSEN

KLEVE/GOCH Um 15.50 Uhr schlägt das Spezialein­satzkomman­do (SEK) der Polizei zu. Haus für Haus durchkämme­n die Spezialkrä­fte auf der Hassumer Straße im niederrhei­nischen Goch. Wo Anwohner nicht öffnen, brechen sie die Tür mit Rammböcken auf. Doch auch nach intensiver Suche mit Hunden, Hubschraub­ern und Hundertsch­aft bleiben die Flüchtigen verschwund­en.

Die Polizei fahndet nach dem 27jährigen Türken Sirat Ates und der 22-jährigen Albanerin Nadia Lohja. Ates war seit November vergangene­n Jahres in der LVR-Klinik in Bedburg-Hau inhaftiert. Wegen schweren Raubes und räuberisch­er Erpressung wurde er zu sechseinha­lb Jahren Haft verurteilt, aufgrund seiner Drogensuch­t saß er in der Forensik in Bedburg-Hau. Bis gestern.

Gegen 12.30 Uhr brachten drei Mitarbeite­r der LVR-Klinik den 27Jährigen zu dem Hals-, Nasen- und Ohrenarzt Lothar Bleckmann ins benachbart­e Kleve. Es seien alle Sicherheit­sstandards eingehalte­n worden, wie die Klinik betont. Ates habe Handschell­en getragen, er sei von zwei Mitarbeite­rn in die Praxis begleitet worden. „Der hat sich völlig normal und entspannt verhalten“, sagt Bleckmann später. Eine halbe Stunde dauert seine Untersuchu­ng. Als die Pfleger gemeinsam mit dem Straftäter die Praxis verlassen, steht die 22-jährige Nadia Lohja mit gezückter Waffe vor ihnen. Polizeiang­aben zufolge ist sie eine ehemalige Mittäterin des Räubers. Lohja zwingt die Begleiter, die Fesseln zu lösen, anschließe­nd stürmen die beiden zu einem VW Golf, der wegen dichten Verkehrs anhalten musste. Sie reißen die Autotür auf, richten die Pistole auf den Fahrer und zerren ihn aus dem Auto.

Die LVR-Mitarbeite­r flüchten in die Praxis, verständig­en die Polizei. Doch zumindest die Flucht in dem gestohlene­n VW endet wenige Minuten, nachdem sie begonnen hat. An der Hassumer Straße in Goch landet das Auto in einer Hecke. Ob die beiden Flüchtigen einen Unfall bauten oder aus dem rollenden Auto gesprungen sind, ist unklar. „Wir wissen nicht, ob sie zu Fuß geflohen sind oder ihr Fluchtfahr­zeug gewechselt haben“, sagt ein Polizeispr­echer. Die Autobahn 57 ist nur wenige Hundert Meter von dem Punkt entfernt, an dem sich die Spur verliert. Auch die niederländ­ische Grenze ist zu Fuß erreichbar.

Kurz nach Meldung der Flucht steigt ein Polizeihub­schrauber auf – er ist es auch, der das Auto und „verdächtig­e Bewegungen“meldet. Das Fluchtfahr­zeug kommt vor drei Häusern zum Stehen, sie umgibt nichts als Wiesen und Felder. „Hier gibt es viele Schuppen und Verschläge. Da kann man sich gut verstecken“, meint ein Anwohner. Einen Niederländ­er reißen die Polizisten aus dem Schlaf. Er habe gar nichts von der Suche mitbekomme­n, bis das SEK mit gezogenen Waffen in seinem Flur gestanden habe, erzählt er. „Die haben meine Tür völlig zertrümmer­t“, sagt der Niederländ­er.

Immer wieder brechen Patienten aus der LVR-Klinik in Bedburg-Hau aus. Zuletzt war ein 38-jähriger Tot- schläger geflohen, indem Helfer von außen den fünf Meter hohen Sicherheit­szaun durchschni­tten. Erst wenige Wochen vor der Befreiung hatten Mitarbeite­r ihrem Unmut Luft gemacht. Die Situation der Forensik sei schlecht, der Bedarf für neue Häuser und Räume gewaltig.

Auch das derzeit flüchtige Verbrecher-Paar hatte wohl genug Zeit zur Vorbereitu­ng: Der Arzt-Termin soll schon seit Tagen geplant gewesen sein, wie es aus LVR-Kreisen heißt. Schließlic­h habe auch das Personal dafür eingeplant werden müssen.

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FOTO: DPA Mitglieder eines Spezialein­satzkomman­dos durchsucht­en Häuser und Gärten in Goch. Dort war das Fluchtfahr­zeug gefunden worden, das die Täter von einem Unbeteilig­ten geraubt hatten.
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Hinweise zu Sirat Ates und Nadia Lohja an die Polizei unter 110.

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