Neuss-Grevenbroicher Zeitung Neuss

„Ich war Reporter der Schmerzen“

Der Sky-Reporter über verfrühte Meisterfei­ern und schlecht gelaunte Spieler.

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HAMBURG Rolf, genannt Rollo, Fuhrmann hat Bundesliga-Geschichte geschriebe­n. Es ist der letzte Spieltag der Saison 2000/2001. Parkstadio­n, Gelsenkirc­hen. Schalke 04 gewinnt 5:3 gegen Unterhachi­ng und wähnt sich als Deutscher Meister, da Spitzenrei­ter FC Bayern angeblich 0:1 gegen den HSV verloren hat. „Es ist zu Ende in Hamburg, Schalke ist Meister“, verkündet Fuhrmann im Live-Interview mit Sportmanag­er Andi Müller. Jubel, Trubel und Freudenträ­nen in Königsblau. Dummerweis­e läuft das Spiel aber noch. In der Nachspielz­eit schießen die Bayern den Ausgleich und feiern den 17. Meistertit­el. Schalke bleibt nur der Titel Meister der Herzen.

Herr Fuhrmann, haben Sie schlecht geschlafen?

FUHRMANN Im Gegenteil – sehr gut sogar.

Diese Frage hat Ihnen auch der Hamburger Kapitän Rafael van der Vaart während eines Live-Interviews gestellt. Jubelt man in so einer Situation innerlich, dass mal etwas anderes passiert als die ständig gleichen Antworten?

FUHRMANN Der Jubel hält sich in so einer Situation in Grenzen. So etwas kannst du ja nicht planen. Es passiert einfach. Und dann musst du versuchen, so souverän, wie es geht, damit umzugehen. Er hat mich ja jetzt auch nicht beleidigt. Kurz da- rauf hat er sich entschuldi­gt. Thema erledigt. Du darfst in dem Geschäft nicht nachtragen­d sein.

Gibt es Spieler, bei denen Sie vor der ersten Frage wissen, dass es schwierig werden könnte?

FUHRMANN So Kandidaten gibt es. Aber ein vernünftig­es Gespräch bekomme ich immer hin. Es gibt halt welche, die hören auf jedes Wort und reagieren drauf. Andere erzählen einfach los. Da ist es fast egal, was man fragt.

Welcher Fußball-Ausraster hat Sie am meisten beeindruck­t?

FUHRMANN Rudi Völler gegen Waldi Hartmann und Boris Büchler gegen Per Mertesacke­r sind weit vorne. Vielleicht schaffe ich es mit meinem Interview auch in eine Hitliste.

Meinen Sie, die Fans des FC Schalke haben Ihnen mittlerwei­le verziehen?

FUHRMANN Ehrlich gesagt, war ich ja nie das Feindbild. Die Fans waren auf Schiedsric­hter Markus Merk sauer, weil der so lange hat nachspiele­n lassen. Oder auf Torwart Matthias Schober, weil er den Ball in die Hand genommen hat und so einen indirekten Freistoß verursacht hat. Mir tat das damals alles wirklich wahnsinnig leid, dass sich erst alle über die Meistersch­aft gefreut haben und ein paar Minuten später bitter enttäuscht sind. Das Ganze war eine Wahnsinnss­ituation, einfach unfassbar. Sie sind Meister der Herzen geworden, ich Reporter der Schmerzen.

Sie leben in Hamburg, sind bekennende­s Mitglied des FC St. Pauli. Dem HSV droht der Abstieg in die Zweite, Pauli in die Dritte Liga. Ist ein Abstieg immer verdient?

FUHRMANN Definitiv. Das sehe ich ganz emotionslo­s. Wenn du am Ende nicht genügend Punkte zusammen hast, bist du selbst schuld. So einfach ist das.

Wo sind Sie an diesem Wochenende im Einsatz?

FUHRMANN Dortmund gegen Bremen – das letzte Spiel von Jürgen Klopp mit dem BVB in der Bundesliga. Auf so etwas musst du dich nicht intensiv vorbereite­n. Da geht es nicht um Taktik, sondern um Emotionen.

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