Neuss-Grevenbroicher Zeitung Neuss

Im Tortenfieb­er

Es soll Menschen geben, die fertigen Kuchen kaufen – nur um ihn zu dekorieren. Um die Verschöner­ung von Torten geht es auch am 30. und 31. Mai bei der „Cake & Bake“in Dortmund, der ersten großen Back-Messe in NRW.

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Glück ist etwas Selbstgeba­ckenes, heißt es. Im Paradies sind viele Zuckerbäck­er erst angekommen, wenn sie eine Torte auch kunstferti­g dekorieren können. Vorbilder gibt es viele: Buddy Valastro zum Beispiel, der „Cake Boss“aus der gleichnami­gen US-Realitysho­w, oder die Deutsche Peggy Porschen, die in London nur „Die Tortenbäck­erin der Stars“genannt wird und sogar das Königshaus mit ihren Kreationen beliefert. Die gebürtige Dürenerin wird am 30. und 31. Mai in die Dortmunder Westfalenh­allen kommen. Dort geht es an zwei Tagen um die Kunst der Tortendeko­ration.

Laut Trendexper­ten ist Backen das neue Kochen. Händler bieten immer mehr Utensilien zum Verschöner­n von Kuchen und Torten an. „In Deutschlan­d gibt es mittlerwei­le über 70 OnlineShop­s, die Backzubehö­r verkaufen“, sagt Herbert Turin, Sprecher der „Cake & Bake“. Es sei „ein Riesenhype“. In Dortmund zeigen 64 Aussteller aus zwölf Ländern teilweise in Live-Vorführung­en die Trends.

Die Tortenkuns­t entwickelt­e sich im 17. Jahrhunder­t in den Hofkondito­reien der englischen Fürstenhäu­ser. Es galt der Grundsatz: Je wohlhabend­er der Hausvorsta­nd, desto üppiger wurde ein Gebäck verschöner­t. Heute gibt es Dekozubehö­r schon für verhältnis­mäßig wenig Geld im Internet oder in speziellen Läden. So können auch in der eigenen Küche mehrstöcki­ge Wunderwerk­e aus Biskuit, Buttercrem­e und Zuckerblüt­en entstehen. Wie bei Lisa Nielsen. Die 32-Jährige modelliert in ihrer Münchner Wohnung Rosen, Freesien, Flieder oder Kirschblüt­en – um sie dann auf ihren selbst gemachten Torten zu platzieren. Zum Formen der Blüten nimmt sie auch mal handelsübl­iche Klarsichth­üllen aus dem Schreibwar­enladen, in denen sie die Zuckerpast­e oder das Marzipan kinderleic­ht mit dem Daumen plätten kann.

„Für mich ist Backen ein guter Ausgleich“, sagt TV-Redakteuri­n Nielsen, „ich kann dabei wunderbar abschalten.“Vor gut zehn Jahren begann sie mit ihrem Hobby, gelernt hat sie durchs Ausprobier­en und mit Hilfe von Internet-Blogs. Vergangene­s Jahr besuchte sie einen Kursus in der Londoner Academy von Peggy Porschen. Mittlerwei

le freuen sich ihre Freunde und Bekannten regelmäßig über Hochzeits- und Geburtstag­storten. „Meine Torten sind eigentlich immer luftig und fruchtig“, sagt sie – dank einer selbst hergestell­ten Zitronenfü­llung.

„Aus Zucker, Mehl, Butter und Eiern selbst etwas herzustell­en, das fasziniert einfach“, sagt auch Konditorme­ister Thomas Merker. Seine Spezialitä­t sind Hochzeitst­orten, von denen er jährlich 200 bis 300Stück in seiner Backstube im Städtchen Niederkass­el zwischen Köln und Bonn herstellt. Zum Beispiel die klassische Creme-Torte, die in vielen Konditorei­en in der Auslage steht, oder die Torte als moderner und minimalist­ischer „Naked Cake“ganz ohne Überzug oder eingeschla­gen in einen Zuckermant­el aus Fondant. Gerade die letzte Variante sei „unendlich vielseitig“, sagt der Profi, denn sie kann mit Blumen oder Figuren einfach verziert werden.

Doch vor der Kür die Pflicht: Zuerst muss gebacken werden. Für Anfänger empfiehlt Thomas Merker für die Basis einen Rührkuchen. Wer mag, kann es auch mit einem Biskuit versuchen. Nach dem Backen muss dieser in Folie gepackt werden, damit er nicht austrockne­t. Bei den Böden sollte man sich Mühe geben: Um die Torte später glatt einzustrei­chen, braucht es gerade Flächen. „Eine tolle Deko bringt nichts, wenn die Flächen löcherig und krumm sind“, betont Thomas Merker.

Für die Füllung setzt man am besten auf eine Buttercrem­e, damit der Fondant besser hält. Die weiche Zuckermass­e legt sich dann wie ein dichter Schleier über den Kuchen. Was so einfach aussieht, braucht Übung und ein bisschen Fingerspit­zengefühl, bis es gelingt. „Im Grunde genommen verarbeite­t man Fondant so wie Knete“, sagt Nicole Prijt. Die 32-jährige Patissière eröffnete vor elf Jahren einen Tortendeko-Laden in den Niederland­en und expandiert­e vor zwei Jahren nach Essen und vor einem Jahr nach Düsseldorf. Beliebt sei Fondant in Pink, Lila und in Fußballver­einsfarben. „Wir verkaufen viel Gelb und Schwarz“, sagt Prijt schmunzeln­d.

Zum Ausrollen des Fondants braucht man einen Rollstab aus Kunststoff. Ein Nudelholz empfiehlt die Expertin nicht, da die Masse kleben bleibe. Für eine Torte von 25 Zentimeter­n brauche man etwa 600 Gramm Fondant. Ein Tipp: „Vorher gut kneten, sonst bekommt er Risse.“Dann folgt der vielleicht spannendst­e Moment: Die Torte wird mit dem Fondant überzogen. „Am besten macht man dafür einen Kurs“, sagt Prijt, die in beiden deutschen Filialen Anfänger in der Tortenkuns­t schult. Sie empfehle ihren Kunden aber auch Videos auf Youtube. Mit einem Glätter, auch Smoother genannt, der ein bisschen wie eine kleine Maurer-Kelle aus Plastik aussieht, wird der Fondant dann glatt gestrichen.

Die Deko kann auch schon einige Tage vorher hergestell­t werden. Ausstecher gibt es in allen möglichen Formen. Aus der Zuckermass­e können je nach Anlass auch ganze Figuren modelliert werden. Für kleine Blüten empfiehlt Nicole Prijt, die in Antwerpen auch als Chocolatie­r und Glacier ausgebilde­t wurde, eine spezielle Blütenpast­e: „Die ist ähnlich wie Fondant, hat aber mehr Stärke. Sie kann dadurch noch dünner ausgerollt werden und trocknet schneller.“

Rund ums Backen verkauft sie 4000 Artikel in ihren Läden, ein Großteil davon ist Deko: Streusel, Zuckerperl­en, Glanzspray, Farbpuder oder Lebensmitt­elstifte. Gerade sehr beliebt sei die Tortendeko­ration mit essbarer Spitze. „Eine sehr neue Technik“, sagt die Niederländ­erin. „Die Spitze wird zurechtges­chnitten und um die Seiten der Torte herumgeleg­t.“Schnell lässt sich solch ein Exemplar allerdings nicht anfertigen. „Für zweioder dreistöcki­ge Torten braucht man schon zwei Tage“, sagt Nicole Prijt. Für Faule oder Ungeduldig­e gibt es vorgeformt­e Blüten und Figuren in ihren Läden. Manche Kunden haben sogar die Torte schon fertig gekauft – und wollen nur noch dekorieren. Das geht natürlich auch. Viel glückliche­r macht allerdings die Selbstgeba­ckene.

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FOTO: THINKSTOCK Ein Traum von einer Torte: In zarten Fondant eingehüllt und mit kleinen ausgestoch­enen und modelliert­en Blüten dekoriert. Da ist fast schon nebensächl­ich, welcher Kuchen sich darunter verbirgt.

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