Neuss-Grevenbroicher Zeitung Neuss
Viel mehr als Schützenlieder
Lieder über Neuss gibt es in Fülle, doch echte Hits aus und über Neuss sind selten. Manchmal ist eben weniger mehr – um Lebenslust, Haltung und Denken auf den Punkt zu bringen.
NEUSS Wer sich mit den Begriffen Neuss und Schlager im Internet auf die Suche macht, bekommt zwei Telefonbucheinträge angezeigt – aber keinen Hit „made in Neuss“. Trotzdem gibt es natürlich Lieder aus und über Neuss, die aber zeitlich selten über das frühe 19. Jahrhundert hinausreichen. Auch wenn Titel wie das „Hoistener Steinzeitlied“zu anderen Vermutungen Anlass geben könnten. Das entstand erst 1908. Platz eins: „Des Neussers Freud und Lust“
„Wenn die Ernte ist vorüber“– geht die Arbeit für die Landwirte zwar weiter, sagt Ortslandwirt Oliver Hilden. Als Grenadier nimmt er sich aber die Zeit, in Neuss Schützenfest zu feiern – und das „KirmesKirmes-Lied“mitzusingen. Kaum ein Lied bringt Neusser Lebensgefühl und Festtagsstimmung mehr auf den Punkt als der von Mathieu um 1890 formulierte Text. Der darf auch nur mitgeschmettert werden, wenn jeder zum Refrain beide Arme in die Höhe reckt – Ehrengäste zur Parade nicht ausgenommen. Platz zwei: „Dort wo die Erft den Rhein begrüßt“
Als der Neusser Hubert Derrez (1922 bis 1996) im Jahr 1956 zu Papier und Feder griff und für den 38. „Nüsser Ovend“dieses Lied komponierte und textete wusste er nicht, dass es nur wenige Jahre später als „das“Neusser Heimatlied schlechthin gelten würde. „Wenn Neusser ihrem Herzen Luft machen und von ihrer Heimatstadt ins Schwärmen geraten, dann tun sie es in einem Lied“, weiß Ex-Schützenkönigin Carmen Kunert. Platz drei: Venimus adorare eum
Man könnte sagen, dass dieses Lied der einzige „Welthit“aus Neuss ist. Komponiert hat es der Neusser Liedermacher Gregor Linßen als Mottolied für den XX. Weltjugendtag 2005 in Köln und ist die lateinische Übersetzung des Mottos dieser bewegenden Tage: „Wir sind gekommen, um ihn anzubeten.“Das Lied hat Eingang in die Chorliteratur gefunden, aber nicht in das „Gotteslob“. Darin ist Linßen, der bekannteste Neusser Vertreter des Neuen Geistlichen Liedes, mit einem anderen Titel geführt. Platz vier: „Immer wenn du för m‘r stehst“
Mit diesem im Walzertakt daherkommenden Titel errang die Band „De Fetzer“um Frontmann Franz Kolbecher im Jahr 2007 als Sieger der Närrischen Hitparade das Goldene Mikrofon. Es war die höchste Auszeichnung in der 40-jährigen Band-Historie, die Neuss auch überregional bekannter machte. 2014/15 sorgte sie zwar auch mit dem Mottolied der Session („Traumhaft jeck“) für Furore – allerdings in Düsseldorf. Platz fünf: „Denn wenn et Trömmelche jeht“
Die Kölner haben „De Räuber“– nicht ohne deren Zustimmung – ganz als eigene Band vereinnahmt, doch zumindest der langjährige Bandleader Karlheinz Brand sorgte dafür, dass Auftritte in seiner Heimatstadt Neuss ein Heimspiel waren. Und kein Lied aus dem großen Repertoire haben die schützenfestbegeisterten Neusser mehr auf sich bezogen als „Denn wenn et Trömmelche jeht“. Zu hören ist es sicher beim traditionellen Räuberabend auf dem Münsterplatz (13. August) oder am 31. Mai im Vogthaus. Dann machen „De Räuber“dort mit ihrer „Welthits-op-Kölsch-Tour“in Neuss Station. Platz sechs: Das Quirinuslied
Der Bittgesang an den Stadtpatron stammt aus der Feder von Julius Busch (1838 bis 1912). Seine Historie hat Wilhelm Schepping erforscht und 2009 in dem Buch „Quirinuslieder, Quirinusorte in Europa“veröffentlicht. Angestimmt wird das Quirinuslied – das zum Bedauern von Oberpfarrer Guido Assmann weder im alten, noch im neuen Gotteslob Aufnahme fand – nach allen Gottesdiensten in der Quirinus-Oktav, im Schützenhochamt und oft bei Trauungen. Platz sieben: „Ich bin Charlie“
Der Titel des Neusser Rappers Max Jäger (alias Maxim Noise) entstand als Reaktion auf den Terroranschlag auf das französische Satiremagazin „Charlie Hebdo“. Sein Statement gegen Hass und Gewalt wurde auf der Internetplattform Youtube verbreitet und bewegte Hunderttausende. Ein ganz anderes Lied aus Neuss – das auch vielleicht etwas aussagt über Neuss.