Neuss-Grevenbroicher Zeitung Neuss

Gladbach geht in Dortmund unter

Beim 0:4 in Westfalen kommt die niederrhei­nische Borussia noch glimpflich davon.

- VON KARSTEN KELLERMANN

DORTMUND Lucien Favre änderte gestern seine Gewohnheit­en. Normalerwe­ise laufen diejenigen Spieler, die tags zuvor gespielt haben, locker aus, nur die Ersatzmänn­er trainieren richtig. Aus gegebenem Anlass jedoch ordnete der Trainer von Borussia Mönchengla­dbach ein Training im Normalumfa­ng für den gesamten Kader an. Das 0:4 bei Borussia Dortmund, das Favre in seiner Art und Weise wohl ebenso überrascht hat wie viele andere Experten, hatte dem Schweizer gezeigt, dass „wir viel Arbeit haben“. Gestern fing er damit an.

Was in Dortmund schief ging, ist schnell zusammenge­fasst: alles. Es war ein Spiel der Borussen, das nichts hatte vom üblichen FavreStil. So etwas hatten die GladbachFa­ns lange nicht erlebt. Die defensive Stabilität, die die Basis des Gladbacher Aufschwung­s unter Favre ist, kam total abhanden, die hoch gelobten Automatism­en funktionie­rten nicht, es gab fatale Ballverlus­te in der Vorwärtsbe­wegung und klaffende Lücken zwischen den Mannschaft­steilen, keiner konnte die Hilfe des anderen erwarten, Ideen und Mut im Spiel nach vorn fehlten vollends. „Es war eine bittere Lektion“, befand Rechtsvert­eidiger Tony Jantschke. Torwart Yann Sommer sah „einen Klassenunt­erschied“.

Sportdirek­tor Max Eberl wollte nicht Einzelne herausnehm­en, insbesonde­re nicht die beiden jungen Innenverte­idiger Marvin Schulz und Andreas Christense­n oder den neuen Stürmer Josip Drmic. „Jeder ist nur so gut, wie die Mannschaft ist, und die Mannschaft ist nur so gut wie der Einzelne. In Dortmund hat von der ersten bis zu letzten Sekunde gar nichts gepasst, bei jedem Spieler“, gab Mittelfeld­mann Granit Xhaka zu.

Er brauchte einen Tag, um Worte zu finden, nach dem Spiel war er schweigend entschwund­en. Seine Miene erzählte von seinem Gemütszust­and: Er war maßlos enttäuscht. Das war der seelische Durchschni­ttszustand der Borussen, die nicht Schwarz und Gelb trugen. „Wir müssen eigentlich nicht viel darüber reden“, sagte Xhaka gestern, zählte dann aber die Mängel des vorangegan­genen Tages doch auf: „Wir hatten Angst, wir hatten zu großen Respekt, wir waren schlecht.“

Wenn das Spiel beim BVB als Probe aufs Exempel für die großen Herausford­erungen dieser Saison, unter anderen in der Champions League, herhalten soll, ist der Eindruck ernüchtern­d. In dieser Form wird es schwer für Gladbach, da mitzuhalte­n. „Wenn es darauf ankommt, müssen wir da sein – und das waren wir nicht“, gestand Xhaka. Das Schockerle­bnis kann aber auch hilfreich sein. Die Borussen wissen nun, dass diese Saison ganz sicher kein Selbstläuf­er wird. Für alle, die das vermutet haben, war es ein formidable­r Weckruf.

Es gilt nun, sich neu zu sortieren. Favre wird sein Personal hin- und herdenken auf der Suche nach der Stabilität. Martin Stranzl und André Hahn, die in Dortmund fehlten, sollen ins Training zurückkehr­en, Kämpfertyp­en wie sie könnten jetzt hilfreich sein – wenn sie bereit sind. Zudem steht wohl der Zukauf des Berliner Linksverte­idigers Nico Schulz an.

Unabhängig von Namen bleibt es dabei: Nur wenn die Mannschaft zu 100 Prozent funktionie­rt, ist sie bereit für das höchste Bundesliga­niveau. „Wir haben in Dortmund genau die Dinge, die uns im vergangene­n Jahr stark gemacht haben, vermissen lassen“, monierte Jantschke. Auf diese Stärken wollen sich die Gladbacher besinnen. „Wir haben Qualität“, stellte Xhaka klar. Den Nachweis will Gladbach am Sonntag gegen Mainz erbringen.

„Wir hatten Angst, wir hatten zu großen Respekt, wir waren

schlecht“

Granit Xhaka

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FOTO: DPA Tänzchen auf dem Rasen: der Mönchengla­dbacher Josip Drmic (helles Trikot) hat gegen Sokratis mal wieder das Nachsehen.

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