Neuss-Grevenbroicher Zeitung Neuss
Braunkohle-Gegner ketten sich an
Die Proteste gehen weiter. Im Stil der Atomkraft-Gegner blockierten acht Klima-Aktivisten die Hambach-Bahn von RWE. Der Wirtschaftsminister spricht von einem „Schaden für die Demokratie“.
DÜSSELDORF Die Aktionen gegen den Braunkohle-Abbau halten an. 19 Stunden lang blockierten Umweltschützer die Bahn, die Braunkohle vom Tagebau Hambach zu RWE-Kraftwerken bringt. Acht Aktivisten ketteten sich in der Nacht zu Montag an die Gleise, zwei weitere seilten sich von einer Brücke über der Bahn ab, wie eine Sprecherin der Polizei Düren erklärte. Das Ganze erfolgte im Stil früherer Proteste gegen Atomtransporte nach Gorleben. Die Polizei löste die Blockaden auf und setzte Spezialgerät ein, um die Demonstranten von den Gleisen loszueisen. Bis Mittag stand die Hambach-Bahn still.
Bereits am Wochenende hatten mehr als 800 Aktivisten Polizeiketten durchbrochen und einen Schaufelradbagger in Garzweiler besetzt. Die Polizei hatte Tränengas eingesetzt. Die Bilanz der Protestaktionen: Mehr als 800 Strafanzeigen wegen Haus- und Landfriedensbruch. Die Polizei spricht von 36 Verletzten, darunter 15 Beamten, die Veranstalter von über 200 verletzten Aktivisten. RWE beklagt „erhebliche betriebliche Störungen“. Man habe in Garzweiler aus Sicherheitsgründen drei Bagger zeitweise stillgelegt, so ein Sprecher. Die Aktion an der Hambach-Bahn habe Menschenleben gefährdet.
„RWE und die Braunkohlekraftwerke sind der größte Emittent von Kohlendioxid in Europa, wir müssen sie mit unseren Protesten stoppen“, sagte Mona Bricke, Sprecherin des Aktionsbündnisses „Ende Gelände“. Am 26. September soll es einen deutschlandweiten Aktionstag für Klimaschutz geben. „Wir werden im November zusammenkommen, um über künftige Aktionen zu beraten“, so Bricke.
Das Land verurteilte die Proteste. „Für Randalierer habe ich nicht das geringste Verständnis, sie schaden der Demokratiekultur unseres Landes“, sagte Wirtschaftsminister Garrelt Duin (SPD) unserer Zeitung. „Über die richtige Energiepolitik kann und muss eine Gesellschaft streiten. Aber diese Auseinandersetzung muss mit Argumenten und nicht mit Gewalt geführt werden.“ Duin dankte den Polizisten: „Sie sorgten unter schwierigen Umständen für die Verfolgung der Straftaten.“Auch die Gewerkschaft der Polizei (GdP) nannte die Proteste inakzeptabel. „Eine gewaltbereite Minderheit hat sich unter die friedliche Mehrheit gemischt“, sagte Arnold Plickert, Chef der GdP NRW. Jedoch haben die meisten Aktivisten kaum Strafen zu erwarten.
Die Mehrheit, die den Tagebau stürmte, dürfte nur wegen Hausfriedensbruchs belangt werden. „Bei alleinigem Hausfriedensbruch wird das Verfahren wohl gegen Zahlung einer kleinen Geldbuße eingestellt“, sagte Plickert. Dagegen können Aktivisten, die Polizeiketten durchbrachen und Beamte angriffen, wegen Landfriedensbruch und Widerstand gegen die Staatsgewalt belangt werden. Theoretisch sind bis zu drei Jahren Haft möglich, falls es der Justiz gelingt, dem Einzelnen die Tat nachzuweisen.
Seit Jahren veranstalten Aktivisten regelmäßig Klimacamps im rheinischen Revier, wo RWE drei Tagebaue betreibt. In diesem Jahr trainierten sie nach Angaben der Organisatoren gezielt, wie man ein Gelände gewaltfrei besetzen kann.
Die Braunkohle sorgt seit Jahrzehnten für Streit. Im Herbst will die Landesregierung ihre Leitentscheidung zur Zukunft des Tagebaus Garzweiler II vorlegen. Danach soll rund ein Viertel weniger als derzeit geplant abgebaut werden. Leitartikel Wirtschaft