Neuss-Grevenbroicher Zeitung Neuss

„SEK-Skandal noch lange nicht erledigt“

Kölns Polizeiprä­sident erklärt, warum er weiter gegen die bizarren Aufnahmeri­tuale seiner Elitepoliz­isten vorgeht.

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KÖLN Von seinem Büro in der fünften Etage des Kölner Polizeiprä­sidiums blickt Wolfgang Albers (59) auf den eher tristen Stadtteil Kalk: Gleise, Züge, ein altes Hochhaus. In dem kargen Besprechun­gszimmer des Polizeiprä­sidenten hängen die Führungsle­itsätze der Polizei. Einer davon: „Unangemess­enes Auftreten und Verhalten sprechen wir an.“Die beiden Skandale, die er gerade aufklären muss, hat allerdings nicht er, sondern haben die Medien zuerst angesproch­en: Im einen ließen sich fünf seiner Beamten zum Spaß aus einem Polizeihub­schrauber auf einem fast 80 Meter hohen Brückenpfe­iler fotografie­ren. Im anderen geht es um die bizarren Aufnahmeri­tuale seiner Elite-Polizisten.

Sie lassen intern gegen zehn ihrer Beamten ermitteln. Warum?

ALBERS Es geht um die öffentlich bekannt gewordenen Aufnahmeri­tuale bei einem unserer Spezialein­satzkomman­dos. Die Staatsanwa­ltschaft Aachen hat bestätigt, dass dort zwei Beamte aneinander gefesselt wurden, in erhebliche­m Umfang Alkohol trinken und dann so genannte Aufgaben durchleben mussten, die aus meiner Sicht die Würde der Beamten verletzt haben. Details darf ich öffentlich nicht nennen, weil auch das die Würde der Betroffene­n verletzten könnte. Ich habe die Ermittlung­en angestoßen, ausgeführt werden sie derzeit von einer anderen Polizeibeh­örde, um jeden Anschein der Befangenhe­it zu vermeiden.

Aber die Staatsanwa­ltschaft hat ihre Ermittlung­en doch eingestell­t. Warum wird intern trotzdem weiter ermittelt?

ALBERS Die Staatsanwa­ltschaft hat in ihrer Ersteinsch­ätzung keine strafrecht­lich relevanten Vorgänge festgestel­lt. Diese – übrigens noch anfechtbar­e – Einschätzu­ng hätte aufgrund derselben Fakten auch anders ausfallen können.

Ist sie aber nicht. Warum sind Sie hartnäckig­er als der Staatsanwa­lt?

ALBERS Völlig untergegan­gen in der Berichters­tattung der vergangene­n Tage ist: Die Staatsanwa­ltschaft Aachen hat bestätigt, dass die Vorgänge sich so zugetragen haben, wie der Hauptbelas­tungszeuge sie auch uns gegenüber geschilder­t hat. Und nur, weil die Staatsanwa­ltschaft daraus keine strafrecht­lich relevanten Schlüsse zieht, heißt das noch lange nicht, dass ich als Polizeiprä­sident ein solches Verhalten dulden darf.

Betrunkene, die fragwürdig­e Aufgaben erledigen müssen, gibt es bei jedem Karnevalsv­erein …

ALBERS … ich bin aber nicht Karnevalsp­räsident, sondern Polizeiprä­sident. Das ist etwas anderes. Was an- dere Menschen privat machen, steht unter einem ganz anderen Bewertungs­maßstab. Hier wurde ein Ritual von Beamten in Dienstgebä­uden abgehalten, das den Feststellu­ngen der Staatsanwa­ltschaft zufolge zum Teil im Widerspruc­h zu dem Menschenbi­ld stand, das ge- nau diese Polizeibea­mten verteidige­n müssen. Deshalb hat sich der Vorgang auch noch lange nicht erledigt. Strafrecht­lich möglicherw­eise auch noch nicht.

Was droht den Beamten?

ALBERS Diese Frage möchte ich nicht beantworte­n, weil dies als Vorverurte­ilung verstanden werden könnte.

Angeblich ist der Hauptbelas­tungszeuge ein Querulant. Ist er überhaupt glaubwürdi­g?

ALBERS Ja, er ist sogar sehr glaubwürdi­g. Die Feststellu­ngen der Staatsanwa­ltschaft decken sich im Großen und Ganzen mit den Angaben, die der Betroffene zuvor uns gegenüber gemacht hat.

Warum ist so etwas in Ihrer Behörde überhaupt möglich?

ALBERS Im Polizeiprä­sidium Köln arbeiten über 5000 Mitarbeite­r. Es ist unmöglich und auch nicht gewollt, jeden davon jederzeit zu kontrollie­ren. Deshalb ist es ja so wichtig, solche Vorwürfe und Vorgänge konsequent aufzukläre­n und deutlich zu machen, dass derartige Aufnahmeri­tuale inakzeptab­el sind.

Sie haben das betroffene SEK vorübergeh­end von seinen Aufgaben entbunden. Was machen die Beamten jetzt eigentlich den ganzen Tag?

ALBERS Sie trainieren und bilden sich fort.

Wann lassen sie die Männer wieder an die Arbeit?

ALBERS Sobald ich dazu Veranlassu­ng habe.

Haben Sie in den vergangene­n Wochen an Rücktritt gedacht?

ALBERS Nein, habe ich nicht. Es gab zwar schwierige Situatione­n, mit denen man sich als Polizeiprä­sident auseinande­rsetzen muss. Aber meine Aufgabe ist es, diese Dinge anzupacken, eine Lösung zu finden, etwas zu verändern. Eine Polizeibeh­örde zu leiten, ist was anderes, als ein Ferienheim zu leiten.

Was ist der Stand der Ermittlung­en in Sachen Abschiedsf­oto?

ALBERS Angeblich wurde ja ein Polizeihub­schrauber eingesetzt, um für Mitglieder der Spezialein­heiten ein Abschiedsf­oto zu ermögliche­n. Auch das wäre keine Petitesse. So ein Hubschraub­er ist sehr teuer. Die Ermittlung­en dauern an.

Wissen Sie schon, wie eines Tages Ihr eigenes Abschiedsf­oto aussehen soll?

ALBERS (lacht) Ich glaube, ich mache sicherheit­shalber ein Selfie.

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Wolfgang Albers

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