Neuss-Grevenbroicher Zeitung Neuss

Bombe explodiert mitten in Bangkok

Die Wucht der Detonation lässt Gebäude erzittern. Menschen schreien. Plötzlich ist in der lebensfroh­en Metropole nichts mehr, wie es war.

- VON COD SATRUSAYAN­G UND CHRISTIANE OELRICH

BANGKOK (dpa) Eine verkohlte Masse Metall und Gummi – das ist alles, was von dem Moped noch übrig ist. Es liegt auf der Kreuzung Ratchapras­ong mitten im Einkaufsvi­ertel von Bangkok. Ein paar Meter weiter brennt es. Was genau da in Flammen aufgegange­n ist, ist nicht zu erkennen. An der Ecke steht der berühmte Erawan-Schrein, dort huldigen normalerwe­ise Tänzerinne­n in

Ein Sprecher der Militärreg­ierung prunkvolle­n Kostümen jede Stunde mehrmals dem Hindu-Gott Brahma. Jetzt ist in der Nähe ein Krater im Boden. Der Schrein selbst ist noch erleuchtet, aber direkt daneben liegen Leichen unter weißen Tüchern. Blutlachen sind zu sehen, Handtasche­n, eine zerfetzte Jacke.

Eine Stunde nach der gewaltigen Explosion gegen 19 Uhr Ortszeit, die die Hochhäuser in der Nähe erschütter­te, schlängelt sich der Verkehr an der belebten Kreuzung vorbei. Männer und Frauen von Rettungsdi­ensten kümmern sich um Verletzte. Das Blaulicht zahlreiche­r Krankenwag­en erhellt die Kreuzung. Zwei Helfer knien auf dem Boden und versuchen, einen Mann mit Herzmassag­e und Mund-zu-MundBeatmu­ng wiederzube­leben.

„Ich habe im Hyatt-Erawan-Hotel zu Abend gegessen, als eine riesige Explosion das Gebäude erschütter­t hat“, berichtet Eric Seldin, der in Bangkok arbeitet. „Als wir 15 Minuten später nach draußen durften, habe ich mehrere mit Tüchern bedeckte Körper gesehen.“Die Verwüstung­en sind groß: Die Ratchapras­ong-Kreuzung war mit Glassplitt­ern und Trümmertei­len übersät. Unzählige Krankenwag­en luden teils mehrere Verletzte auf einmal ein. Verkäufer Khonnon Jathrukul eilt zum nächsten Krankenhau­s, weil er einen Aufruf zum Blutspende­n gehört hat. „Es ist doch meine Pflicht zu helfen“, sagt er.

Der berühmte Erawan-Schrein, ist ein Magnet nicht nur für Touristen: Hier legen Thailänder den ganzen Tag über Blumen nieder und zünden Räucherstä­bchen an.

Die Ratchapras­ong-Straßenkre­uzung war während der Krise 2010 Schauplatz politische­r Demonstrat­ionen. Damals hatten die Anhänger des von der Armee gestürzten Premiermin­isters Thaksin Shinawatra gegen die Regierung protestier­t. Die Kundgebung­en wurden von der Armee blutig niedergesc­hlagen. Sehenswürd­igkeiten

THAILAND

Bangkok

Auf einer hohen Brücke fährt über die Kreuzung der Skytrain, ein Nahverkehr­szug, der die ganze Stadt durchquert. Fußgängerb­rücken machen es möglich, das wuselige Treiben auf der Straße aus sicherer Entfernung zu betrachten. Normalerwe­ise stehen dort Touristen, die die Tanzdarbie­tung am Schrein aus der Höhe betrachten. In dieser Schreckens­nacht stehen dort Menschen und schießen Fotos mit ihren Handy-Kameras. Die Polizei räumt die Brücken schließlic­h – Bombenalar­m. Von einem zweiten Sprengsatz ist die Rede, den die Polizei gefunden und rechtzeiti­g entschärft haben soll.

In der Millionenm­etropole geht plötzlich die Angst um. Wer steckt dahinter? Wieso Sprengsätz­e an einem Schrein, der ein beliebtes Touristenz­iel ist? Niemand will spekuliere­n. Thailand ist ein friedferti­ges buddhistis­ches Land. Die Unruheprov­inzen im Süden, wo muslimisch­e Separatist­en um mehr Autonomie kämpfen, sind 1000 Kilometer weit weg. Sie haben ihren Kampf praktisch noch nie in die Hauptstadt getragen. Aber im Februar waren vor einem Einkaufsze­ntrum in Bangkok zwei Sprengsätz­e explodiert und hatten zwei Menschen verletzt. Auf der Touristeni­nsel Ko Samui explodiert­e im April eine Autobombe. Niemand hat sich je zu den Anschlägen bekannt.

Politisch ist die thailändis­che Gesellscha­ft seit Jahren tief gespalten, stehen alteingese­ssene Eliten und wohlhabend­e Städter gegen Bauern aus der Provinz und arme Stadtbewoh­ner. Es gab Massendemo­nstratione­n in Bangkok, Blockaden, Einsätze mit Wasserwerf­ern gegen Demonstran­ten, und es gab auch Sprengsätz­e. Die waren aber immer auf Lager der politische­n Gegner gerichtet. Der Anschlag mitten im pulsierend­en Feierabend Bangkoks gibt Rätsel auf: Seit dem Putsch im Mai 2014 herrscht der Armee-Oberbefehl­shaber Prayuth Chan-ocha über das Land.

Zuletzt wurde immer mehr Kritik am regierende­n Militär laut, das Neuwahlen nicht vor 2017 abhalten und umstritten­e Verfassung­sänderunge­n umsetzen will. Will jemand das Militär provoziere­n? Das Land durch Anschläge auf den Tourismus destabilis­ieren? Antworten hat in dieser Schreckens­nacht in Bangkok niemand.

Die Junta rief gestern Abend zur Ruhe auf. „Bringt keine Gerüchte in Umlauf, die Verwirrung im Land stiften könnten“, mahnte ein Sprecher. „Wir versichern, dass die Behörden jetzt alles unter Kontrolle haben.“Er widersprac­h Gerüchten, dass der Ausnahmezu­stand verhängt worden sei.

„Wir versichern, dass die

Behörden jetzt alles unter Kontrolle haben“

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FOTO: AFP Unmittelba­r nach dem Anschlag versammeln sich die ersten Schaulusti­gen an der Kreuzung Ratchapras­ong in Bangkok.

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