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Schäubles Kampf gegen die Nein-Sager

Der Bundesfina­nzminister und die Kanzlerin setzen sich mit aller Macht dafür ein, in der Union die Zahl der Gegner des dritten Griechenla­nd-Hilfspaket­s zu begrenzen. Der Internatio­nale Währungsfo­nds macht es ihnen dabei nicht leicht.

- VON BIRGIT MARSCHALL

BERLIN Wenn Wolfgang Schäuble und Angela Merkel (beide CDU) heute Abend in der Unionsfrak­tion das Wort ergreifen, wird gespannte Ruhe herrschen. Die aus dem Urlaub angereiste­n gut 300 Abgeordnet­en sind gespannt darauf, wie Schäuble und Merkel sie davon überzeugen wollen, dass sie morgen im Bundestag einem weiteren – dem mittlerwei­le dritten – Hilfspaket für Griechenla­nd zustimmen. Die Rettung des Landes vor der Staatsplei­te und dem Euro-Ausscheide­n geht nunmehr schon ins sechste Jahr. Das Land steckt tiefer in der Rezession als je zuvor – obwohl ihm die Euro-Länder mit zwei Rettungspr­ogrammen 2010 und 2012 schon mit mehreren Hundert Milliarden Euro ausgeholfe­n hatten.

Mitte Juli, als es zunächst nur um die Aufnahme von Verhandlun­gen über das dritte Hilfspaket von bis zu 86 Milliarden Euro frischer Hilfskredi­te ging, stimmten 60 Unionsabge­ordnete mit Nein, so viele wie nie unter der CDU-Vorsitzend­en Merkel. Fünf weitere enthielten sich. Dass es morgen mindestens wieder 65 Abweichler sein werden, ist wahrschein­lich. Gut möglich aber auch, dass sich manche von Merkel und Schäuble noch überzeugen lassen und umkippen. Das wäre für Merkel und Schäuble, die nach ihrem im Juli geschickt inszeniert­en Grexit-Rollenspie­l nun wieder enger zusammenge­rückt sind, ein Erfolg.

Beim griechisch­en Ministerpr­äsidenten Alexis Tsipras sei jetzt „der Wille und die Bereitscha­ft da“, die vereinbart­en harten Reformen auch umzusetzen, ist ein hochrangig­er Vertreter des Bundesfina­nzminister­iums überzeugt. Griechenla­nd habe nach dreiwöchig­en Bankenschl­ießungen „in den Abgrund“geschaut und jetzt verstanden, worum es gehe. Deutschlan­d hätte sich isoliert, wenn es vergangene­n Freitag als einziges Land in der Eurogruppe gegen ein drittes Hilfspaket gestimmt hätte. Andere, etwa Finnland, hätten zuletzt nämlich nicht mehr an seiner Seite gestanden.

Mit seiner harten Haltung habe Schäuble in der Eurogruppe aber noch viel erreicht, so das Regierungs­mitglied. So sei die erste Kredittran­che, die noch im August ausgezahlt werden soll, von rund 40 auf 23 Milliarden Euro gesenkt worden. Im Gegenzug müsse Athen erst Reformen umsetzen. Auch der 50-Milliarden-Privatisie­rungsfonds sei konkreter gefasst worden. Der Internatio­nale Währungsfo­nds (IWF) habe sich zudem, so weit es eben ging, zum Paket bekannt, indem IWF-Chefin Christine Lagarde am Freitag per Video zugeschalt­et war.

Lagarde und der IWF sind allerdings ein Grund mehr für wachsendes Misstrauen in der Union. Lagarde hatte am Wochenende noch einmal unmissvers­tändlich als Voraussetz­ung für eine IWF-Beteiligun­g am dritten Hilfspaket Schuldener­leichterun­gen durch die Europäer verlangt. Die Schuldenla­st Athens sei „untragbar“, so Lagarde. Der Schuldener­lass müsse also „weit über das bisher in Betracht gezogene Maß hinausgehe­n“. Im Klartext heißt das: Die Europäer müssten die Rückzahlun­g der Hilfskredi­te um weitere 40 Jahre hinausschi­eben.

„Im Bundestag soll eine Entscheidu­ng fallen, ohne dass der IWF sicher an Bord bleibt“, kritisiert­e die CSU-Abgeordnet­e Dagmar Wöhrl, die morgen mit Nein stimmen will. Der IWF fordere nichts anderes, als dass alle Schulden erst 2075 vollständi­g zurückgeza­hlt würden. „Wenn man ehrlich ist, handelt es sich hier um einen versteckte­n Schuldensc­hnitt zu Lasten unserer Kinder und Enkel“, erklärte Wöhrl.

Auch der CDU-Politiker Klaus-Peter Flosbach will sich von Merkel und Schäuble nicht mehr umstimmen lassen. „Ich habe die Griechenla­nd-Programme noch bis Februar immer unterstütz­t, aber jetzt ist für mich eine Grenze erreicht, an der es nicht mehr weiter geht“, sagte Flosbach. „Seit Jahresbegi­nn geht es mit einer Schnelligk­eit nur noch in die Richtung, dass frühere Verabredun­gen nicht mehr eingehalte­n werden. Wir setzen damit die Glaubwürdi­gkeit der Politik aufs Spiel.“

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FOTO: IMAGO Finanzmini­ster Wolfgang Schäuble muss die Abweichler in der Fraktion von der Zustimmung zu den Griechenla­ndhilfen überzeugen.

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