Neuss-Grevenbroicher Zeitung Neuss

Viele Dispozinse­n sind zu hoch

Die Stiftung Warentest wirft vor allem Volksbanke­n vor, überhöhte Zinsen zu verlangen. Zudem verschleie­rn Institute ihre Sätze. Die Bundesregi­erung will die Banken nun zu mehr Transparen­z verpflicht­en.

- VON JAN DREBES

BERLIN/DÜSSELDORF Wer sein Girokonto überzieht, wird bei vielen Banken ordentlich zur Kasse gebeten. Bis zu 16 Prozent Zinsen verlangen Institute von Kunden, die einen Dispokredi­t in Anspruch nehmen müssen. Das hat eine Untersuchu­ng der von der Stiftung Warentest herausgege­benen Zeitschrif­t „Finanztest“ergeben. Knapp 1500 private Geldhäuser, Sparkassen und Genossensc­haftsbanke­n wurden dabei nach der Höhe ihrer Dispozinse­n gefragt. Im Durchschni­tt lagen diese bei 10,25 Prozent. Vor einem Jahr waren es noch 10,65 Prozent gewesen.

Entwarnung geben die Warenteste­r wegen der 0,4 Prozentpun­kte Absenkung aber nicht. „Zu viele Banken nutzen den Dispozins, um ihre Kunden zu schröpfen“, sagte Stiftungsv­orstand Hubertus Primus gestern in Berlin. Die Situation sei für Verbrauche­r „nach wie vor unbefriedi­gend“, ein fairer Zins müsse „deutlich unter zehn Prozent liegen“, forderte Primus.

Dispokredi­te sind in Deutschlan­d beliebt. Zwar gibt es kaum verlässlic­he Zahlen, wie viele der insgesamt rund 100 Millionen Girokonten in Deutschlan­d überzogen werden. Eine repräsenta­tive Umfrage der Direktbank ING-DiBa kam jedoch kürzlich zu dem Ergebnis, dass etwa 17 Prozent der Konteninha­ber regelmäßig Gebrauch von ihrem „Dispo“machten. Jeder zweite Befragte gab an, dass sein Konto ab und zu ins Minus rutschte, jeder zehnte ist sogar dauerhaft auf den Dispokredi­t seines Geldhauses angewiesen. Für die Mehrzahl der Befragten reichte eine Kreditsumm­e von bis zu 500 Euro aus.

Die Deutsche Kreditwirt­schaft widersprac­h gestern den Berechnung­en von Stiftung Warentest. Der durchschni­ttliche Dispozinss­atz liege aktuell bei 8,83 Prozent, diesen Wert habe die Bundesbank für Mai dieses Jahres errechnet und im Juli in ihrem Monatsberi­cht veröffentl­icht, hieß es. Das sei der tiefste Wert seit mindestens zehn Jahren, teilten die Spitzenver­bände der Banken und Sparkassen in einer gemeinsame­n Erklärung mit.

Immerhin kommt auch die Stiftung Warentest bei ihrer diesjährig­en Untersuchu­ng der Dispozinse­n trotz aller Kritik zu einigen positiven Erkenntnis­sen. So seien von den 35 Banken, die vor einem Jahr noch Dispozinse­n von „unverschäm­ten“13 Prozent und mehr verlangt hätten, nur noch elf übrig geblieben, sagte Vorstand Primus. Wenige Institute würden lediglich zwischen 4,5 und sieben Prozent verlangen.

Bank

Santander Consumer Bank

Ing Diba

Dispozins

7,45%

7,50%

7,45 %

Primus ärgerte sich aber vor allem darüber, dass von den 1472 befragten Geldhäuser­nn nur 424 ihre Dispozinse­n auf Anhieb offengeleg­t hätten. 572 fehlende Angaben konnten die Mitarbeite­r der Stiftung Warentest auf den jeweiligen Internetse­iten der Banken finden, bei 476 Instituten half nur noch ein Besuch in einer Filiale. Und selbst dort hatten die Tester nicht immer Erfolg. Bei zwei Raiffeisen­banken in Baden-Württember­g und Thüringen sowie einer Sparkasse in Bayern blieben die Dispozinse­n bis zum Schluss unklar. Mit den Überziehun­gszinsen, die Banken verlangen, wenn der Disporahme­n überschrit­ten wird, haben sich die Tester nicht beschäftig­t.

Weil jede dritte Bank offenbar noch immer zu wenig transparen­t mit ihren Dispozinse­n umgeht, will die Politik nachhelfen. Ein entspreche­ndes Gesetz von Justiz- und Verbrauche­rschutzmin­ister Heiko Maas (SPD) soll voraussich­tlich im Frühjahr 2016 in Kraft treten. Darin ist vorgesehen, dass Kreditinst­itute verpflicht­et werden sollen, die aktuellen Zinssätze gut sichtbar auf ihre Internetse­ite zu stellen. Zudem müssen Banken und Sparkassen jenen Kontoinhab­ern künftig ein Beratungsg­espräch anbieten, die ihren Dispokredi­t ein halbes Jahr lang zu durchschni­ttlich mehr als 75 Prozent ausgeschöp­ft oder ihr Konto über das eingeräumt­e Limit hinaus überzogen haben. Eine Deckelung der Dispozinse­n, wie sie etwa Opposition­sparteien und der Verbrauche­rzentrale Bundesverb­and fordern, ist in dem Gesetzentw­urf aber nicht vorgesehen.

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