Neuss-Grevenbroicher Zeitung Neuss

Platz 3: Fritz Langs „M – eine Stadt sucht einen Mörder“

Bürgerwehr und Lynchjusti­z: Der beste deutsche Kriminalfi­lm zeigt, wie eine Gesellscha­ft der Hysterie verfällt.

- VON DOROTHEE KRINGS

DÜSSELDORF Der Mörder ist unter ihnen. Er spaziert durch die Stadt, pfeift seine Melodie, lockt kleine Kinder mit Luftballon­s und tötet sie. Der Mann ist eine unsichtbar­e Gefahr, eine Bedrohung im Gewand des Biedermann­s. Das schürt Ängste bei den Bürgern und weckt niedere Instinkte. Rache wollen sie nehmen an dem Einen, der seine Triebe nicht unter Kontrolle hat. Die Polizei versucht es mit Rasterfahn­dung. Die Unterwelt rottet sich zusammen, will den Täter mit ihren Mitteln fangen, weil die Unruhe ihnen das Geschäft verdirbt. Schon werden harmlose Herrn von Passanten angegriffe­n, wenn sie nur mit einem Kind reden. Nervosität breitet sich aus, Verdächtig­ungen, Verleumdun­gen machen die Runde, aus Bürgern wird ein aufgebrach­ter Mob. Da ist es nicht weit bis zur Lynchjusti­z.

1931 drehte Fritz Lang seinen ersten Tonfilm: „M – eine Stadt sucht einen Mörder“– und was für ein Kriminalfi­lm gelang ihm da! Der gebürtige Wiener hatte in Berlin monumental­e Werke geschaffen wie den Science-Fiction-Klassiker „Metropolis“, der die Produktion­sfirma Universum Ende der 20er Jahre fast in den Ruin trieb. Danach wollte Lang etwas Überschaub­ares drehen, sich den Menschen zuwenden, ihren Ängsten, ihren Trieben. So erzählte er die Geschichte eines Serienmörd­ers, der die Bewohner einer Stadt herausford­ert, ihre rechtsstaa­tliche Gesinnung auf die Probe stellt. Und er wandte sich dem Tonfilm zu und sollte auch darin gleich ästhetisch­e Maßstäbe setzen.

„M“ist auf so vielen Ebenen überragend: Der Film ist einerseits eine moderne, psychologi­sche Studie, in der ein Serienmörd­er, der bedrohlich­e naive Peter Lorre, sein Inneres offenbart, den Zustand der Spaltung, wenn er seine Taten begeht. Zugleich zeigt der Film in bestürzend­er Klarheit die Mechanisme­n

der Panikmache, Volksverhe­tzung und Entmenschl­ichung eines Täters. Die organisier­te Unterwelt, angeführt von Gustaf Gründgens als dämonische­m Ganovenfür­st, macht der Polizei ihre Aufgabe streitig. Das reflektier­t die Lage in der Weimarer Republik, die Schwäche der staatliche­n Institutio­nen, die den Nazis das Feld überließen, erst auf der Straße, dann im Parlament.

Fritz Lang verarbeite­t in seiner Geschichte auch reale Verbrechen wie den Fall des Serienmörd­ers Pe-

ter Kürten, der als „Vampir von Düs- seldorf“in aller Munde war. So ist sein Werk ein perfekter Kriminalfi­lm, der mit allen Mitteln des Suspense in seinen Bann schlägt und kaum zu erkennen gibt, dass er zugleich auch eine brillante Gesellscha­ftsanalyse ist. In „M“spiegelt sich die Zeit – noch heute. Kino Am Freitag, 21. August, 19 Uhr, läuft im Kino Metropol, Brunnenstr­aße 20, in Düsseldorf der Siegerfilm der „Krings’ 100“. Kartentele­fon: 0211 / 349709

 ?? FOTO: DPA ?? Peter Lorre als markierter Kindermörd­er in Fritz Langs erstem Tonfilm „M - eine Stadt sucht einen Mörder“aus dem Jahr 1931.
FOTO: DPA Peter Lorre als markierter Kindermörd­er in Fritz Langs erstem Tonfilm „M - eine Stadt sucht einen Mörder“aus dem Jahr 1931.

Newspapers in German

Newspapers from Germany