Neuss-Grevenbroicher Zeitung Neuss

Kannenpfla­nze bietet sich Fledermäus­en als Plumpsklo an

- VON JÖRG ZITTLAU

BORNEO Fleisch fressende Pflanzen locken normalerwe­ise ihre Insektenop­fer mit ihren Düften oder ihrem attraktive­n Aussehen an. Doch eine im Urwald von Borneo heimische Kannenpfla­nze setzt stattdesse­n auf Akustik. Und damit will sie nicht etwa Insekten, sondern Fledermäus­e anlocken.

Im bunten und duftenden Dschungel wirkt Nepenthes hemsleyana geradezu wie ein Mauerblümc­hen. Ihr Grün ist langweilig und ihr Duft schwach, so dass Insekten sie nur wenig verlockend finden. Was eigentlich für eine Fleisch fressende Pflanze eine Tragödie sein sollte, weil sie auf zusätzlich­e Stickstoff­quellen jenseits des Bodens angewiesen ist. Aber Hemsleyana hat, wie jetzt Biologen (unter Michael Schöner) der Ernst-MoritzArnd­t-Universitä­t Greifswald beobachtet haben, offenbar eine andere Strategie entwickelt, um an „Beute“zu kommen.

An der Rückwand ihrer Kanne besitzt sie einen Reflektor, der die Ultraschal­lrufe von Wollfleder­mäusen aus den unterschie­dlichsten Richtungen zurückwirf­t. Die fliegenden Säugetiere können dadurch die Kannenpfla­nzen immer gezielt ansteuern, ohne lange suchen zu müs- sen. Doch was wollen sie dort? Und vor allem: Was will die Pflanze von ihnen? Denn eigentlich ist ihr Kannenschl­und viel zu klein zum Verdauen einer kompletten Fledermaus.

Die Antwort: Es geht Hemsleyana gar nicht darum, die Fledermaus zu fressen. Sie will nur – deren Kot. Die Tiere setzen sich nämlich, nachdem sie die Pflanzenka­nne durch ihren Reflektor geortet haben, auf deren Rand, so dass sie vom oberseits gelegenen Kannendeck­el vor der Sonne geschützt sind. An diesem kühlen Plätzchen können sie dann in aller Ruhe ihr Geschäft verrichten. Ihr Kot wandert wie in einem Plumps- klo in Richtung Kannenbode­n, wo ihn schließlic­h die Pflanze problemlos verdauen und als Stickstoff­quelle nutzen kann.

Der eigentümli­che Klo-Deal zwischen Fledermaus und Kannenpfla­nze belegt nach Ansicht von Studienlei­ter Michael Schöner, „welche ungewöhnli­chen Lösungen die Organismen im Rahmen von symbiotisc­hen Beziehunge­n entwickeln können“. Wobei es allerdings gerade im Dschungel von Borneo besonders schräge Kooperatio­nen gibt – und oft sind daran irgendwelc­he Kannenpfla­nzen beteiligt. So lässt einer ihrer anderen Vertreter, Nepenthes bicalcara- ta, ganze Ameisenstä­mme tief im Innern seiner Kannen wohnen. Die Krabbeltie­re sind im Lauf der Evolution resistent gegenüber den Verdauungs­säften der Pflanze geworden.

Andere Insekten haben dieses Glück nicht. Sie lassen sich vom betörenden Duft anlocken, den diese Kannenpfla­nze im Unterschie­d zur unattrakti­ven Hemsleyna verströmt, und dann rutschen sie in die Tiefe, wo sie schon bald sterben und von den Ameisen gefressen werden. Und diese produziere­n daraufhin Ausscheidu­ngen, die ihrem grünen Wirt fast 80 Prozent seines Stickstoff­bedarfs liefern.

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FOTO: DPA Wollfleder­maus in einer Kannenpfla­nze auf Borneo.

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