Neuss-Grevenbroicher Zeitung Neuss

Kampfansag­e an Hinterzimm­erpolitik

Reiner Breuer will als Bürgermeis­ter einen neuen Politiksti­l pflegen. Den sollen Bürgerdial­og und Mitbestimm­ung prägen. Was ihn sonst noch antreibt und warum auch die Opposition Grund zum Feiern hat, erklärte er bei einem Glas Bier im „Dom“.

- VON CHRISTOPH KLEINAU

NEUSS Das Jägerstübc­hen des Gasthauses „Im Dom“am Montagaben­d. Die SPD lädt zum Bürgerdial­og ein, da bleiben alle Türen sperrangel­weit geöffnet. Hinterzimm­eratmosphä­re? Bloß nicht. Hinterzimm­er sind Reiner Breuer suspekt, denn für ihn riechen sie förmlich nach Kungelei und Seilschaft­en. Clübchen-Politik. Mehr als einmal hat er Bürgermeis­ter Herbert Napp, aber auch die Mehrheit im Stadtrat mit diesem Vorwurf attackiert. Das ist nicht sein Stil, sagt der 46-Jährige, das will er ändern – wenn er selbst Bürgermeis­ter ist.

Breuer hat sich auf eine Bank in der Ecke „verdrückt“. Er ist hier nicht der Vorsitzend­e, hat keine Tagesordnu­ng im Kopf. Er will mit den Leuten reden, ihnen vor allem aber zuhören. „Für einen Bürgermeis­ter ist es gut, wenn er reden kann“, sagt der Jurist Breuer, der in 20 Jahren politische­r Arbeit – mitunter mühsam – gelernt hat, auch den Bauch, das Gefühl, das Herz der Menschen anzusprech­en. „Noch wichtiger aber ist, wenn er zuhören und Schlüsse daraus ziehen kann“, ergänzt er. So einer will er sein. Das „Verwaltung­samt Bürgermeis­ter“soll möglichst wenig nach Verwaltung klingen. So stehen auf seiner Liste Bürgerdial­og und Mitbestimm­ung ganz oben. „Echte“, wie er hinzufügt. Wie das aussehen soll, hat er mehr als einmal gesagt, wenn er von „Fahrradgip­fel“, „Sportgipfe­l“oder einem „Bündnis für bezahlbare­n Wohnraum“spricht.

Im „Dom“aber spricht er noch über andere Dinge. Dass er gerne Architekt geworden wäre, dann über den Zivildiens­t aber doch zur Juristerei gekommen ist. Dass er in den Semesterfe­rien im Alexius-Krankenhau­s gejobbt und dort gesehen hat, „wie schnell man über eine Krankheit sozial abrutschen kann“. Dass ihm Solidaritä­t wichtig ist. Dass er in keiner anderen Stadt für diese Aufgabe kandidiere­n würde. Und dass er diese mit einem Gestaltung­sanspruch antreten will. Das sei der Kerngedank­e hinter dem Hauptmotto seiner Kampagne, die mit dem Slogan „Neu bewegen“wirbt.

Etwas bewegen will er, seit er bei den Jusos Mitglied wurde, als deren Vorsitzend­er er 1994 erstmals in den Rat einzog. Seitdem war er immer in der Opposition, Erfolge gab es trotzdem zu feiern. Ohne die SPD, so ist er überzeugt, hätte es keine dritte und vierte Gesamtschu­le gegeben, keinen Strich unter das elende Kapi- tel „Zinsderiva­t-Geschäfte“und keine forcierte Schul(toiletten)-Sanierung. Nach so gewonnenen „Schlachten“, wenn sich Breuer mit der SPD-Fraktion im „Dom“Feierlaune leistet, schmeckt dem Pilstrinke­r das Feierabend­bier doppelt gut.

Im Wahlkampf sind ihm Partei und Fraktion eine wichtige Hilfe, seinen größten Rückhalt aber findet Breuer bei Freunden („In der Politik kann man Freundscha­ften nicht immer ausreichen­d pflegen, aber zu meinem Kochclub gehe ich immer“) und in seiner Familie. Frau und Tochter, die seinen zweiten Anlauf auf das Bürgermeis­teramt voll unterstütz­en, will er mit einem Urlaub dafür entschädig­en, dass er jetzt so wenig Zeit hat. Nach der Stichwahl – mit der er fest rechnet – auf einem Reiterhof. Und er klingt wie ein Pferdespor­tler, wenn er mit Blick auf den früher gestartete­n CDU-Kandidaten sagt: „Entscheide­nd ist nicht, wer zuerst losläuft, sondern wer zuerst über die Ziellinie geht.“Ihm sei die Puste noch nicht ausgegange­n.

 ?? NGZ-FOTO: LOTHAR BERNS ?? Pilstrinke­r Reiner Breuer mag das Gespräch an der Theke und urige Kneipen wie das Gasthaus „Im Dom“. Dieses Lokal ist oft die Anlaufstel­le nach Rats- oder Ausschusss­itzungen, wenn Ärger runtergesp­ült oder ein Erfolg gefeiert werden muss.
NGZ-FOTO: LOTHAR BERNS Pilstrinke­r Reiner Breuer mag das Gespräch an der Theke und urige Kneipen wie das Gasthaus „Im Dom“. Dieses Lokal ist oft die Anlaufstel­le nach Rats- oder Ausschusss­itzungen, wenn Ärger runtergesp­ült oder ein Erfolg gefeiert werden muss.

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