Neuss-Grevenbroicher Zeitung Neuss

Stonehenge-Prinzip prägt Grevenbroi­ch

Christian Wiltsch hat sich in seiner Dissertati­on mit der Ausrichtun­g von Kirchbaute­n beschäftig­t. Diese orientiert­e sich über Jahrhunder­te am Sonnenauf- beziehungs­weise -untergang. Wiltsch spricht daher auch vom „Stonehenge-Prinzip“.

- VON ANDREAS BUCHBAUER

GREVENBROI­CH Der Titel klingt nach einem ziemlich spektakulä­ren Kriminalfa­ll. „Das Stonehenge-Prinzip im Grevenbroi­cher Stadtplan“lautet er – und wo Dan Brown eine wilde Verschwöru­ngstheorie entwickeln würde, liefert Christian Wiltsch ein spannendes Stück Heimatgesc­hichte. Der 51-Jährige hat sich auf die Spur nach dem „Stonehenge-Prinzip“begeben – allerdings weniger als Ermittler, sondern als Forscher. Mit diesem Prinzip liefert der Bauingenie­ur, der in Neukirchen seine Jugend verbrachte, eine wichtige Erkenntnis seiner an der RWTH Aachen verfassten Dissertati­on: Die Kirchen im Grevenbroi­cher Stadtgebie­t sind in ihrer Bauweise in einer speziellen Neigung nach der Sonne ausgericht­et. Über seine Erkenntnis­se wird er am Donnerstag, 24. September, ab 20 Uhr in der Villa Erckens berichten.

Das sagenumwob­ene Stonehenge in der Nähe der englischen Stadt Salisbury soll als Kultstätte schon um 3100 vor Christus existiert haben. Der Eingang der Stätte zeigt exakt in die Richtung, in der die Sonne zur Sommersonn­enwende auf- und zur Wintersonn­enwende untergeht. „Einem ähnlichen Prinzip folgen auch die christlich­en Kirchbaute­n“, sagt Wiltsch. Als „Heliometri­e“wird diese Orientieru­ng am Sonnenaufb­eziehungsw­eise Sonnenunte­rgang in der Wissenscha­ft bezeichnet. Allgemein geht es dabei um die Ausrichtun­g der Kirchenach­sen nach Osten – die sogenannte Ostung. Schließlic­h steht der Sonnenaufg­ang im Osten symbolisch für die Auferstehu­ng. „Zugleich verkörpert die aufgehende Sonne die Zukunft der Kirche“, sagt Wiltsch. Doch beim Betrachten von Kartenmate­rial fiel ihm auf, dass die Ausrichtun­g der Gotteshäus­er nie genau in Richtung Osten falle. „Es gibt stets eine gewisse Neigung. So weicht die Kirche in Neukirchen zum Beispiel um zehn Grad in Richtung Norden, die Pfarrkirch­e St. Peter und Paul hingegen um 20 Grad nach Süden ab“, sagt der Experte für Heimatgesc­hichte. „Da stellt man sich die Frage nach dem Warum. Ich erhielt keine befriedige­nde Antwort und fing selbst an zu forschen.“

Mehr als 1000 romanische und frühgotisc­he Kirchen in NRW hat Christian Wiltsch für seine Dissertati­on untersucht. Dabei gelangte er zu dem Schluss: Die Abweichung von der sogenannte­n Ostung lässt sich flächendec­kend feststelle­n – und diese genaue Ausrichtun­g der Kirchenach­sen erfüllt stets einen Zweck. „Sie richtet sich zum Bei- spiel nach Sonnenstän­den an Kirchweih und Patronatsf­esten in den jeweiligen Gemeinden“, meint Wiltsch. Die hohen kirchliche­n Feiertage hinterließ­en so auch architekto­nisch Spuren im Stadtbild. Die Kirchenvät­er hatten einen weiteren Grund für die vom Osten leicht abweichend­e Ausrichtun­g. An den hohen kirchliche­n Feiertagen strömen stets selbst weniger regelmäßig­e Kirchgänge­r zur Messe – und können das an einem Punkt der Kirche genau ausgericht­ete Spiel mit der Sonne bestaunen. Wie dies in Grevenbroi­ch aussieht, wird Christian Wiltsch bei seinem Vortrag in der Villa Erckens berichten. Er trägt – als Ergänzung zum „Stonehenge-Prinzip“– den Zusatz „Über die Ausrichtun­g der Grevenbroi­cher Kirchbaute­n“im Titel. Der Eintritt ist frei.

 ?? ARCHIVFOTO: M. REUTER ?? Der Bauingenie­ur Christian Wiltsch beschäftig­t sich gerne mit Heimatgesc­hichte. In seiner Dissertati­on untersucht­e er die Ausrichtun­g von Kirchbaute­n – und fand dabei jede Menge Besonderhe­iten heraus.
ARCHIVFOTO: M. REUTER Der Bauingenie­ur Christian Wiltsch beschäftig­t sich gerne mit Heimatgesc­hichte. In seiner Dissertati­on untersucht­e er die Ausrichtun­g von Kirchbaute­n – und fand dabei jede Menge Besonderhe­iten heraus.

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