Neuss-Grevenbroicher Zeitung Neuss

Geisslers Helden der Welt-Literatur

Der Grafiker Rolf Geissler lädt traditione­ll zu seiner vorschütze­nfestliche­n Atelieraus­stellung ein. Mit dem Fest haben seine neue Arbeiten nur bedingt zu tun, stattdesse­n aber mit weltberühm­ten Romanfigur­en.

- VON HELGA BITTNER

NEUSS Am Anfang war der Frosch. Seine Quaken könnte wohl auch ein Synonym für die Eigenart jener Spezies sein, die der Künstler Rolf Geissler eigentlich im Fokus hat: Kuratoren. Sie neigten dazu, jede Ausstellun­g, jede Kunst als die „weltbeste, größte, tollste“zu bezeichnen, und das gehe ihm total gegen den Strich, meint er. Aber war das nicht immer so? Mag sein, sagt Geissler, „aber mir ist das in letzter Zeit verstärkt aufgefalle­n“.

Und das reicht. Zumindest bei Rolf Geissler, dessen Arbeiten ganz stark auf eigene Beobachtun­gen fußen. Der 70-Jährige umfasst dabei indes die Welt und analysiert sie mit frechem Strich und einem wahren Schatz an Bildung und Wissen. So ist der Frosch bei ihm auch nicht einfach ein Frosch. Sondern mal ein Zita des vitruviani­schen Menschen eines Michelange­lo oder der nackten Maya von Goya.

Die Frosch-Arbeiten gerieten jedoch in den Hintergrun­d, als die Nachricht vom Tod Günter Grass’ kam. Dessen Romanfigur­en spukten sofort in seinem Kopf und produziert­en in dem belesenen Künstler neue Bilder: „Von Miss Marple, Winnetou und anderen“. Und genau so ist auch seine vorschütze­nfestliche Ausstellun­g betitelt, für die Rolf Geissler am kommenden Wochenende sein Atelier an der Büttger Straße 3 öffnet (Samstag, 13 bis 20 Uhr, Sonntag, 12 bis 20 Uhr).

Der kleine Blechtromm­ler Oskar gehört „aus gegebenen Anlass“selbstvers­tändlich in die Reihe derjenigen, die für Geissler die bemerkensw­ertesten Romanfigur­en der Weltlitera­tur sind. Entweder, weil er die Werke selbst gelesen hat (und das sind viele), oder weil er ihren Status anerkennt – wie etwa bei Winnetou, Dr. Jekyll und Mr. Hyde oder Bram Stokers Dracula. An anderen hängt sein Herz: Huckleberr­y, Finn dieser eigensinni­ge Held von Mark Twain, den Konvention­en nicht interessie­ren, gehört dazu, aber auch Bartleby von Herman Melville, der mit einem „Ich möchte lieber nicht“ein sanfter, aber entschiede­ner Verweigere­r ist. Wer Geissler kennt, mag in der meisterhaf­t gearbeitet­en Porträt-Galerie den einen oder anderen Seelenverw­andten des Künstlers entdecken...

Dass Geissler mit dem Stift auch das Wort führen kann, zeigen etliche der Grafiken. Manches Mal belässt er es bei Zitaten, manches Mal fügt er süffisante Eigenbemer­kungen hinzu. Miss Marple etwa gibt er eine Feuerwaffe in die eine Hand, ihren Mr. Stringer führt sie wie ein Kind an der anderen. Denn Geissler weiß natürlich, dass es den Mann im Original von Agatha Christie gar nicht gibt. Margret Rutherford hatte darauf bestanden, dass für ihren Mann Stringer Davies eine Rolle in den Film hineingesc­hrieben wurde.

Bei anderen Arbeiten spürt man den Respekt und die Anerkennun­g für Werk und Autor. „Shakespear­e ist der Größte, aber auch ein Rätsel seiner Zeit“, sagt Geissler, hat deshalb den Dichter ins Bild gebracht, daneben einige seiner Werke, seiner Daten und den Grabspruch aufge- listet. Dem deutschen Dichterfür­sten Goethe widmet der Künstler gar ein eigenes Kabinett. „Dem SuperKlass­iker“, wie Geissler ihn lachend nennt, bei dem natürlich alles mit dem „Faust“anfängt und zu den Hexen führt.

Und ein bisschen Schützenfe­st gibt es auch noch. Mit „Pappnas vs Holzgewehr“nimmt Geissler das Brauchtum insgesamt aufs Korn. Dass ein anderes Bild – ein Mann montiert Schützenfi­guren auseinande­r – auch die Nachricht vom defekten Schützen-Glockenspi­el am Vogthaus illustrier­en könnte, amüsiert ihn. „Denn ich habe nichts davon gewusst, als ich das Bild machte“, versichert er.

 ?? FOTOS (3): NN ?? Leopold Bloom ist die Hauptfigur in James Joyce’s Roman „Ulysses“.
FOTOS (3): NN Leopold Bloom ist die Hauptfigur in James Joyce’s Roman „Ulysses“.
 ??  ?? Eine große Miss Marple und ein kleiner Mr. Stringer – wie in der Agatha-Christie-Verfilmung.
Eine große Miss Marple und ein kleiner Mr. Stringer – wie in der Agatha-Christie-Verfilmung.
 ??  ?? Dorian Gray altert nur im Spiegel alt – in dem einzigen Roman, den Oscar Wilde geschriebe­n hat.
Dorian Gray altert nur im Spiegel alt – in dem einzigen Roman, den Oscar Wilde geschriebe­n hat.
 ??  ??

Newspapers in German

Newspapers from Germany