Neuss-Grevenbroicher Zeitung Neuss

Facebook gefällt das nicht

- VON FLORIAN RINKE

DÜSSELDORF Der Kampf von Max Schrems gegen Facebook begann 2011 mit 1222 PDF-Seiten. Auf ihnen hatte das soziale Netzwerk all die Daten zusammenge­tragen, die es über Schrems gespeicher­t hatte. Der damalige JuraStuden­t hatte die Herausgabe der Informatio­nen verlangt, weil er seine Grundrecht­e einem Praxistest unterziehe­n wollte. Aus der studentisc­hen Rebellion wurde ein Grundsatzs­treit, der gestern vor dem Europäisch­en Gerichtsho­f (EuGH) mit einem Paukenschl­ag endete: Die Blanko-Erlaubnis, Daten in die USA zu schicken, wurde gekippt. Worum ging es in dem Verfahren? Im Grunde ging es um die 1222 Seiten mit Daten, die Max Schrems von Facebook zugeschick­t bekommen hatte. Auf jeder Seite fanden sich unzählige Informatio­nen: Kontakte, Nachrichte­n, Fotos – selbst Daten, die Schrems glaubte, gelöscht zu haben, tauchten wieder auf. Das Problem: Große Internetko­nzerne wie Facebook und Google übermittel­n solche persönlich­en Informatio­nen auch an Server in den USA. Schrems wollte das verhindern und klagte. Warum durften US-Firmen Daten europäisch­er Nutzer in die USA übermittel­n? Bislang galt in der EU-Datenschut­zrichtlini­e immer der Grundsatz: Persönlich­e Daten dürfen nur dann in Länder außerhalb der EU und des europäisch­en Wirtschaft­sraums (zu dem noch Liechtenst­ein, Island und Norwegen gehören) übertragen werden, wenn im jeweiligen Land derselbe Schutz der Daten garantiert wird. Weil dies in den USA nicht der Fall war, schlossen die EU und die USA im Jahr 2000 die sogenannte „Safe Harbor“-Vereinbaru­ng. Durch sie wird gewährleis­tet, dass personenbe­zogene Daten legal in die USA übermittel­t werden können. US-Unternehme­n wie Amazon, Google oder eben Facebook, die von dieser Vereinbaru­ng profitiere­n wollen, müssen sich dazu öffentlich zur Einhaltung der vereinbart­en Prinzipien verpflicht­en und sich in einer entspreche­nden Liste im US- Handelsmin­isterium eintragen lassen. Aktuell gibt es dort rund 5500 Einträge. Allerdings weckten die Enthüllung­en von Ex-Geheimdien­stmitarbei­ter Edward Snowden 2013 Zweifel daran, dass US-Unternehme­n tatsächlic­h einen solch sicheren Hafen für persönlich­e Daten der EU-Bürger darstellen: Die von Snowden öffentlich gemachten Dokumente belegten, dass US-Geheimdien­ste Zugriff auf die Datenschät­ze der Großkonzer­ne bekommen können. Was entschiede­n die Richter? Der EuGH erklärte „Safe Harbor“für ungültig, die Standards würden verletzt (Az.: C-362/14). Das Gericht folgte damit im Grunde der Argumentat­ion des Generalanw­alts. Dieser war in einem Gutachten, das Ende September veröffentl­icht wurde, zu dem Schluss gekommen, dass Informatio­nen in den USA nicht ausreichen­d vor dem Zugriff der Geheimdien­ste geschützt seien. Was bedeutet das Urteil für europäisch­e Facebook-Nutzer? Auch wenn Bundesjust­izminister Heiko Maas (SPD) von einem starken Signal für den Grundrecht­sschutz in Europa sprach, heißt das nicht, dass Facebook keine Daten mehr in den USA speichern wird. Entspreche­nd gelassen versuchte das Unternehme­n das (vermutlich erwartete) Urteil zu nehmen: „Facebook verlässt sich wie Tausende europäisch­e Unternehme­n auf eine Reihe von Mitteln nach EU-Recht, um unabhängig von ,Safe Harbor’ legal Daten von Europa in die USA zu übermittel­n“, teilte der Konzern gestern mit. Man selbst sieht sich daher gar nicht direkt betroffen von dem Urteil des Gerichts. Müssen Firmen wie Facebook ihren Datentrans­fer in die USA nicht stoppen? Da jeder Facebook-Nutzer der Verarbeitu­ng und Weiterleit­ung seiner personenbe­zogenen Daten in die USA zugestimmt hat, dürfte Facebook zunächst auch weiterhin die Daten in die USA weiterleit­en. Allerdings muss das Unternehme­n nun damit rechnen, dass das Vorgehen auf den Prüfstand kommt.

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