Neuss-Grevenbroicher Zeitung Neuss
„Gewalt geht oft von jungen Muslimen aus“
Die Polizistin (32) fühlt sich bei ihrer Arbeit vor allem von Migranten bedroht. Diskriminieren will sie aber niemanden.
BOCHUM Die Bochumer Polizeibeamtin formulierte 2013 einen offenen Brief, in dem sie über die steigende Zahl verbaler und körperlicher Übergriffe auf sich und ihre Kollegen berichtete. Die Resonanz ihrer Kollegen war so positiv, dass daraus ein Buch geworden ist („Deutschland im Blaulicht“, Piper). Darin spricht sie Klartext und nennt diejenigen, die ihrer Meinung nach Schuld sind. Doch das ist nicht unproblematisch. Rechte nutzen die Lektüre für ihre Propaganda.
Von wem geht Gewalt gegen Polizisten am häufigsten aus?
KAMBOURI Für mich im Streifendienst geht sie überwiegend von jungen Männern aus muslimisch geprägten Ländern aus. Diese Erfahrung machen auch Kollegen, die in ihrem Bezirk eine hohe Anzahl dieser Migranten haben. Selbstverständlich erleben wir genug Deutsche und andere Menschen aus unterschiedlichen Herkunftsländern, die gegenüber der Polizei respektlos und gewaltbereit sind.
Hat sich das in den vergangenen Jahren verschärft?
KAMBOURI Wäre es nicht so, hätte ich den Leserbrief und dieses Buch nicht geschrieben. Dass der Beruf Polizist nicht einfach ist, versteht sich von selbst. Es ist kein Zuckerschlecken und war mir jederzeit bewusst. Aber es hat ein Ausmaß angenommen, welches ich nicht länger hinnehmen will.
Wie kann man sich solch eine Situation vorstellen?
KAMBOURI Es sind alltägliche Einsätze und Routinekontrollen. Möchten wir einen simplen Verkehrsverstoß ahnden, eine Person kontrollieren oder ein Fahrzeug anhalten, besteht bei besagter Personengruppe direkt beim ersten Kontakt eine Abneigung. Das erkennt man an Körpersprache, Gestik, Mimik und an den Aussagen. Man fängt an zu diskutieren, ehe man vorgetragen hat, weshalb man die Person angehalten hat. Wenn man jemanden verwarnen will, fängt die nächste Eskalationsstufe an: Man provoziert den Beamten mit Worten. Die nächste Stufe ist, die Polizei lautstark anzuschreien. Nun ist man von der körperlichen Gewalt nicht weit entfernt.
Sehen Sie einen Zusammenhang zwischen kulturellem Hintergrund und Respektlosigkeit?
KAMBOURI Der kulturelle Hintergrund spielt bei den von mir angesprochenen Migranten eine Rolle. Viele wachsen in archaischen Familienstrukturen auf, wo Gewalt nicht selten ist und die Frau als nicht gleichberechtigt betrachtet wird. Hier hat oft der Stärkere das Sagen. Das ist spürbar im Einsatz, wenn ich als Frau nicht als gleichwertige Gesprächspartnerin betrachtet werde.
Hat man vor Dienstantritt Angst?
KAMBOURI Angst nicht. Aber wenn man zu gewissen Einsätzen fährt, ist man doppelt und dreifach auf der Hut. Trotz guter Vorbereitung weiß man nie, was einen erwartet. Und da die Gewalt und Respektlosigkeit gegen Po- lizei immer mehr wird, ist die Wahrscheinlichkeit groß, bei den Einsätzen verletzt zu werden.
Wir haben derzeit eine Flüchtlingskrise. Wer etwas gegen Migranten sagt, wird schnell als rechts abgestempelt. Haben Sie etwas gegen Ausländer?
KAMBOURI Nein, ich habe kein rechtes Gedankengut und verachte Menschen, die andere Menschen aufgrund ihrer Herkunft, Religion, Hautfarbe oder Nationalität diskriminieren. Ich bin selber Migrantin, habe ausländische Freunde. Wir dürfen nicht pauschalisieren. Aber wir müssen die Probleme ansprechen, um sie anpacken zu können. Tun wir das nicht, wird sich keine Lösung finden, und wir werden immer mehr Parallelgesellschaften haben, so dass sich unsere Gesellschaft spalten wird.
Fürchten Sie, dass Rechte das Buch für ihre Propa-
ganda nutzen könnten?
KAMBOURI Natürlich passt es mir nicht, dass sich Rechte meine Texte zu eigen machen. Sie instrumentalisieren mich und kürzen meine Texte so, dass meine Meinung in ein falsches Licht gerückt und als fremdenfeindlich dargestellt wird. Aber da stehe ich drüber. Ich weiß, wer ich bin und lasse mich nicht zu einem Menschen machen, den die Rechten gerne wollen. Mir ist das Wohl unserer Gesellschaft wichtig. Und dafür setze ich mich ein und gebe nicht auf, nur weil einige Idioten mir das Leben schwermachen möchten.
Was muss sich ändern?
KAMBOURI Neben Präventionen müssen ganz klar Sanktionen erfolgen. Insbesondere bei Intensivtätern. Die Polizei braucht den Rückhalt der Politik und Justiz. Damit würden wir schon viel erreichen. Um handlungsfähig zu bleiben, brauchen wir mehr Polizeibeamte. Die Täter werden immer mehr, die Polizisten immer weniger. Diese Rechnung kann nicht aufgehen.