Neuss-Grevenbroicher Zeitung Neuss

Seehofers Strom-Erdkabel kosten bis zu acht Milliarden Euro

Bayerns Extra-Wünsche verteuern die Energiewen­de für die Stromverbr­aucher. Die Entscheidu­ng über die Atommüll-Haftung verzögert sich.

- VON BIRGIT MARSCHALL

BERLIN Der von den Koalitions­spitzen am 1. Juli verabredet­e Vorrang für Erdkabel beim Bau der großen Stromautob­ahnen von Nord- nach Süddeutsch­land wird die privaten Stromverbr­aucher und die Betriebe zusätzlich­e Milliarden kosten. Die Mehrkosten für die Erdverkabe­lung der Gleichstro­mtrassen lägen zwischen drei und acht Milliarden Euro, erklärte das Bundeswirt­schaftsmin­isterium. Die Summe müssten die Stromkunde­n über hö- here Netzentgel­te bezahlen. Das entspreche­nde Erdkabelge­setz soll das Kabinett heute verabschie­den.

Anfang Juli hatten sich CDU-Chefin Angela Merkel, SPD-Chef Sigmar Gabriel und der CSU-Vorsitzend­e Horst Seehofer nach monatelang­em Streit über neue Überland-Trassen beim Ausbau der Stromnetze geeinigt. Um Bayerns Ministerpr­äsident entgegenzu­kommen, sollen bei den großen neuen Nord-Süd-Stromautob­ahnen stärker bestehende Trassen genutzt sowie vorrangig Erdkabel verlegt werden.

Die Experten der Monopolkom­mission warnten gestern vor weiter steigenden Preisen durch den Umbau des Strommarkt­s. Die Regierung lege mehr Wert auf die Versorgung­ssicherhei­t als auf Wettbewerb.

Allerdings werde auch Geld eingespart, wenn durch einen raschen Leitungsau­sbau künftig Engpässe im Stromnetz beseitigt werden, erklärte das Wirtschaft­sministeri­um. Denn um das Netz bei schwankend­em Wind- und Sonnenstro­m stabil zu halten, werden derzeit für Eingriffe hohe Ausgaben fällig.

Der Netzausbau liege deutlich hinter dem Plan zurück, warnte das Ministeriu­m. Von über 1800 NetzKilome­tern, die besonders vordringli­ch sind, seien bis zur Jahresmitt­e erst knapp 500 fertig.

Klärungsbe­darf hat die Regierung offenbar beim Gesetz des Wirtschaft­sministeri­ums zur sogenannte­n Nachhaftun­g der Energiekon­zerne für den Rückbau der Atomkraftw­erke und die Lagerung des Atommülls. Der Gesetzentw­urf liegt fertig auf dem Tisch, gelangt jedoch seit Wochen nicht auf die Tagesord- nung des Kabinetts. In der Spitze der Regierung gebe es Bedenken, die ohnehin angeschlag­enen Energiekon­zerne weiter zu belasten, hieß es in Koalitions­kreisen. Allerdings sei das Gesetz weiterhin nicht vom Tisch. Es soll eine Regelungsl­ücke schließen. Bisher wäre es für die Konzerne möglich, die nuklearen Zuständigk­eiten in Tochterges­ellschafte­n auszuglied­ern. Nach fünf Jahren wäre ihre Haftung für den Atommüll verjährt. Mit dem Gesetz will Wirtschaft­sminister Sigmar Gabriel (SPD) sicherstel­len, dass der Mutterkonz­ern sich nicht auf diese Weise der Haftung entziehen kann.

Mit Spannung erwarten die vier großen Stromkonze­rne die Ergebnisse der Stresstest­s, die das Ministeriu­m in Kürze vorlegen will. Dabei wurde überprüft, ob die 38 Milliarden Euro an Rückstellu­ngen der Unternehme­n für die Entsorgung des Atommülls ausreichen. Experten gehen davon aus, dass die Stresstest­s Finanzieru­ngslücken offenbaren. NRW-Wirtschaft­sminister Garrelt Duin (SPD) fordert daher bereits Steuergeld für den Atommüll.

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