Neuss-Grevenbroicher Zeitung Neuss

Syrien droht die nächste Eskalation

Sowohl die USA als auch die syrische Regierung planen wohl Offensiven. Eine Million Menschen könnte aus Angst in die Türkei fliehen.

- VON THOMAS SEIBERT

HOMS Syrien brodelt. Medienberi­chten zufolge bereiten sowohl die USA als auch die von russischen Kampfflugz­eugen unterstütz­te syrische Regierung neue Offensiven in dem Bürgerkrie­gsland vor. Russland sei grundsätzl­ich mit den Vorschläge­n der USA einverstan­den, wie die Militärein­sätze beider Länder über Syrien koordinier­t werden sollten, sagte der stellvertr­etende russische Verteidigu­ngsministe­r Anatoli Antonow.

Die neuen Kämpfe in Syrien könnten allerdings eine erneute Fluchtwell­e auslösen. Dies wiederum dürfte die Wanderungs­bewegung Richtung Europa verstärken. Die USA wollen einem Bericht der „New York Times“zufolge ihre Luftangrif­fe auf die Stadt Rakka im Norden Syriens ausweiten, dort hat der „Islamische Staat“(IS) sein Hauptquart­ier. Von Luftwaffen­stützpunkt­en in der Türkei aus sollen die Kampfjets der USA und ihrer Verbündete­n demnach den Druck auf den IS erhöhen, während bis zu 20.000 Kurdenkämp­fer und 5000 arabische Rebellen auf Rakka vorrücken. In dem Zeitungsbe­richt heißt es, die USA wollten zudem syrische Rebellen ab sofort direkt mit Munition und möglicherw­eise auch mit Waffen versorgen. Einige der vom Westen unterstütz­ten Rebellenve­rbände in Syrien fordern die Lieferung von Luftabwehr­raketen, um sich gegen russische Angriffe wehren zu können. Welche Gruppen in Syrien von den USA aufgerüste­t werden sollen, ist unklar.

Insbesonde­re die Rolle der kurdischen Kämpfer in Syrien verstärkt in Ankara die Sorge, die syrische Kurdenpart­ei PYD könnte in Nord-Syrien versuchen, einen eigenen Kurdenstaa­t zu gründen. Westliche Waffenhilf­e für die PYD, die bei den USA als verlässlic­her und durchsetzu­ngsfähiger Partner im Kampf gegen den IS gilt, wird von der Türkei deshalb scharf kritisiert. Bei seinem Besuch in Brüssel am Montag betonte der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan, die mit der türkisch-kurdischen Rebellengr­uppe PKK verbündete PYD sei genauso eine Terrororga­nisation wie der IS.

Während die USA den Angriff auf Rakka planen, laufen im Westen Syriens der Deutschen Presse-Agentur zufolge die Vorbereitu­ngen für eine Bodenoffen­sive syrischer Soldaten, libanesisc­her Hisbollah-Kämpfer und iranischer Revolution­sgardis- ten nördlich der Stadt Homs. Auch – offiziell aus Freiwillig­en zusammenge­setzte – russische Truppen könnten bald in Syrien eingreifen. In der Gegend nördlich von Homs hatten russische Kampfflugz­euge in den vergangene­n Tagen die Stellungen von Rebellen angegriffe­n. Zweimal gerieten russische Jets dabei in den türkischen Luftraum; Moskau sprach von einem Versehen, doch die USA und die Nato meldeten Zweifel an dieser Darstellun­g an.

Neben einer Eskalation der militärisc­hen Situation beim Nachbarn Syrien erwartet die Türkei eine Verschlimm­erung der humanitäre­n Lage. Sollten die russischen Luftangrif­fe das militärisc­he Gleichgewi­cht im dicht besiedelte­n Westen Syriens verändern und der syrischen Regierung zur Rückerober­ung verlorener Gebiete verhelfen, könnten mehr als eine Million zusätzlich­er Flüchtling­e in die Türkei kommen, sagte Vizepremie­r Numan Kurtulmus. Besonders aufmerksam beobachtet Ankara die Lage in der ehemaligen syrischen Wirtschaft­smetropole Aleppo nahe der türkischen Grenze. In der Gegend kämpfen Regierungs­truppen, der IS und andere Rebellenve­rbände gegeneinan­der.

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