Neuss-Grevenbroicher Zeitung Neuss
Die „Heimkehr der Zehntausend“
Die Sowjetunion wollte diplomatische Beziehungen zu Deutschland – am liebsten ohne Bedingungen. Doch in einem Punkt wollte Konrad Adenauer nicht nachgeben: Immer noch, zehn Jahre nach dem Zweiten Weltkrieg, befanden sich rund zehntausend ehemalige Soldaten in sowjetischen Lagern. Schon 1949 hätten nach internationalen Vereinbarungen alle Kriegsgefangenen ausgeliefert werden müssen, doch die Sowjetunion bediente sich eines Tricks, stellte die Männer und die wenigen Frauen vor Gericht und verurteilte sie wegen Kriegsverbrechen. Die meisten waren einfache Soldaten gewesen – auch wenn sich, wie sich später herausstellte, tatsächlich einige Kriegsverbrecher unter ihnen befanden. Adenauer gelang bei einem Besuch in der Sowjetunion im September 1955, was kaum jemand erwartet hatte. Die sowjetische Führung gab nach und stimmte zu, alle Gefangenen nach Hause zu schicken. Am 7. Oktober 1955 kamen die ersten 600 der „Letzten Zehntausend“an (Foto). Eltern nahmen ihre Söhne in die Arme, Ehefrauen ihre Männer. Manch einer sah zum ersten Mal seit Jahren seine Kinder. Für die Deutschen der Nachkriegszeit war es ein emotionaler Tag, für Bundeskanzler Adenauer der wichtigste außenpolitische Erfolg. Für Tausende Familien war es auch ein trauriges Ereignis: Wer seine Angehörigen unter den „Letzten Zehntausend“nicht finden konnte, musste die Hoffnung begraben, sie jemals wiederzusehen.