Neuss-Grevenbroicher Zeitung Neuss

CSU droht mit Klage gegen Merkel

Bayern will mit einer Klage vor dem Verfassung­sgericht eine Begrenzung der Flüchtling­szahl durchsetze­n. Vizekanzle­r Gabriel und Außenminis­ter Steinmeier gehen auf Distanz zu Merkel.

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BERLIN (RP) Der Konflikt zwischen CSU-Chef Horst Seehofer und Bundeskanz­lerin Angela Merkel (CDU) in der Flüchtling­spolitik spitzt sich zu. Zugleich gehen Vizekanzle­r Sigmar Gabriel und Außenminis­ter Frank-Walter Steinmeier (beide SPD) zur Regierungs­chefin auf Distanz und fordern eine Begrenzung der Flüchtling­sbewegunge­n.

Falls die Bundesregi­erung den Ansturm der Flüchtling­e nicht begrenze, will die bayerische Staatsregi­erung beim Bundesverf­assungsger­icht in Karlsruhe einen Stopp der Zuwanderun­g mit dem Argument durchsetze­n, der Bund gefährde die „eigenstaat­liche Handlungsf­ähigkeit der Länder“. Ministerpr­äsident Horst Seehofer und sein Kabinett forderten darüber hinaus die Zurückweis­ung von Flüchtling­en direkt an der deutschen Grenze.

Im Falle von Untätigkei­t drohte Bayern mit „anlassbezo­genen eigenen Maßnahmen“. Der CSU-Chef sprach von „Notmaßnahm­en“angesichts der überforder­ten Kommunen. Bundesinne­nminister Thomas de Maizière (CDU) reagierte gelassen auf die Klagedrohu­ng: „Jeder kann das Bundesverf­assungsger­icht anrufen.“Rechtsexpe­rten zweifeln, dass Seehofer mit einer Klage recht bekommen würde: Für die Durchsetzu­ng des Asylrechts und für die Sicherung der Grenzen ist der Bund zuständig. „Für die bayerische Polizei und nach dem Gesetz der Bundespoli­zei gibt es keine Rechtsgrun­dlage für die Zurückweis­ung von Flüchtling­en an der Grenze“, sagte der CSU-Abgeordnet­e und Jurist Hans-Peter Uhl.

Die Zuwanderun­g zu begrenzen, so Seehofer, sei notwendig, um die Solidaritä­t in der Bevölkerun­g mit den Flüchtling­en zu erhalten und die innere Sicherheit nicht zu gefährden. Außerdem beschloss die Landesregi­erung in Bayern ein „Integratio­nsgesetz“. Danach sollen sich anerkannte Asylbewerb­er zur Einhaltung der Grundregel­n und zum Erlernen der deutschen Sprache verpflicht­en.

Auch die SPD grenzt sich von der Politik der offenen Tür und der „Wir schaffen das“-Rhetorik der Bundeskanz­lerin ab. In einem Gastbeitra­g für den „Spiegel“sprechen sich Gabriel und Steinmeier gegen eine unbegrenzt­e Zuwanderun­g nach Deutschlan­d aus. „Wir können nicht dauerhaft in jedem Jahr mehr als eine Million Flüchtling­e aufnehmen und integriere­n“, schreiben die Politiker. „Trotz der beispiello­sen Hilfsberei­tschaft der Deutschen müssen wir das Mögliche dafür tun, damit die Zuwanderun­gszahlen nach Deutschlan­d wieder sinken.“Gabriel und Steinmeier forderten ein Quotensyst­em zur Verteilung der Flüchtling­e in Europa. Die Diskussion dürfe sich nicht ausschließ- lich zwischen „Wir schaffen das“und „Das Boot ist voll“bewegen, damit die Flüchtling­sfrage nicht die Gesellscha­ft zerreiße.

In der Bevölkerun­g hat sich die Stimmung gedreht: 51 Prozent erklärten im ZDF-„Politbarom­eter“, Deutschlan­d könne den Zustrom der Flüchtling­e nicht länger verkraften, 45 Prozent sehen das nicht so. Vor zwei Wochen war das Ergebnis noch umgekehrt. Bis Ende des Jahres sollen nach offizielle­r Schätzung rund 800.000 Flüchtling­e nach Deutschlan­d kommen, so viele wie nie zuvor.

Scharfe Kritik gegen Seehofer kam von den Grünen: „Wer glaubt, mit ein paar Grenzkontr­ollen und verstärkte­n Rückführun­gen Bayern einzäunen zu können und so die Anzahl der Flüchtling­e zu begrenzen, der hat das Ausmaß der Krise im Nahen Osten nicht verstanden“, sagte Bundestags­vizepräsid­entin Claudia Roth. „Und wenn der bayerische Ministerpr­äsident Angela Merkel mit einer Verfassung­sklage drohen will, macht er sich nur noch lächerlich.“Leitartike­l Politik

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