Neuss-Grevenbroicher Zeitung Neuss
Bayerns Vorstoß ist juristisch wacklig
Eine Abweisung von Flüchtlingen wäre nur als Notstandsmaßnahme möglich.
BERLIN Bayerns Ministerpräsident Horst Seehofer (CSU) ist auf Konfrontationskurs mit der Kanzlerin. Er droht damit, Flüchtlinge an der bayerischen Grenze abzuweisen. Das wirft eine Reihe von Fragen auf. Welche rechtliche Grundlage haben die Bayern? Nach den geltenden Gesetzen gibt es weder für die Bundespolizei, die die Grenzen schützt, noch für die bayerische Polizei eine Rechtsgrundlage, Flüchtlinge an der Grenze zurückzuweisen. „Eine solche Zurückweisung müsste als Notstandsmaßnahme zum Schutz der bayerischen Bürger deklariert werden. Dies lässt sich juristisch begründen“, sagt der CSUBundestagsabgeordnete und Jurist Hans-Peter Uhl. Welchen Rechtsstatus haben Flüchtlinge, die die Grenze nach Deutschland übertreten? Sie sind nach dem Gesetz zunächst einmal illegal Einreisende, da sie aus Ländern kommen, deren Bürger ein Visum für Deutschland benötigen. Doch sobald sie das Wort „Asyl“sagen, ist klar, dass sie Asylbegehrende sind. Nach deutschem Recht muss jedes Asylbegehren geprüft werden. Gab es nicht mal eine eigene bayerische Grenzpolizei? Ja. Sie wurde 1998 abgeschafft. „Heute rächt es sich, dass Bayern diese Befugnis an die Bundespolizei abgegeben hat“, sagt Uhl. Die bayerische Grenzpolizei konnte den deutschen Grenzabschnitt in Bayern nach Österreich und Tschechien sichern. „Aber wer konnte ahnen, dass sich die Bundesregierung einmal weigern würde, rechtswidrige Zuwanderer an der Grenze zurückzuweisen?“, fragt Uhl. Ist der Vorwurf aus Bayern richtig, wonach die Kanzlerin gegen geltendes Recht verstoße? Fakt ist, dass die Regelungen des Dublin-Abkommens ausgehebelt sind. Demnach müssen Flüchtlinge sich eigentlich in dem Land registrieren lassen und ihr Asylbegehren stellen, in das sie zuerst innerhalb der EU eingereist sind. Auch die Kanzlerin hat diese Regel missachtet, als sie Anfang September die in Ungarn festsitzenden Flüchtlinge über Österreich nach Deutschland einreisen ließ. Bayern droht nun damit, dass es das Verfassungsgericht anruft, um den Vollzug der DublinRegelung durchzusetzen. Was sagt Österreich zur Drohung der Bayern, die Flüchtlinge an der bayerisch-österreichischen Grenze zurückzuweisen? Die Reaktionen sind gemischt: Österreichs Innenministerin Johanna Mikl-Leitner warnte vor gewaltsamen Auseinandersetzungen an der Grenze, wenn Flüchtlinge zurückgeschickt würden. Das österreichische Bundesland Salzburg zeigte sich hingegen gelassen. „Warten wir ab, was Bayern wirklich macht. Grenzschutz ist in Deutschland Bundessache, und Angela Merkel hat sich zuletzt mehrfach klar zu dem Thema geäußert“, sagte ein Regierungssprecher. Kommt es nun tatsächlich zu einem Aufnahmestopp? Seehofer nannte gestern keinen konkreten Termin, wann und in welcher Form er mit Zurückweisungen starten wird. „Aber diese Zurückweisung von Flüchtlingen an der bayerischen Grenze wird kommen“, sagt Uhl. Das sei so sicher wie das Amen in der Kirche. „Es ist nur eine Frage der Zeit. Wir müssen zum geltenden Recht zurückkehren.“