Neuss-Grevenbroicher Zeitung Neuss

Auf den Hund gekommen

In Deutschlan­d leben 6,8 Millionen Hunde. In jedem siebten Haushalt wird gebellt, gejault und gehechelt – auch bei unserem Autor Oliver Wiegand. Zum heutigen Welthundet­ag widmet er dem Leben mit Vierbeiner­n eine Liebeserkl­ärung.

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Ich erinnere mich noch gut an den 1. November 2006. An diesem Tag bin ich zuletzt in ein Flugzeug gestiegen, um Urlaub in Ägypten zu machen. In Hurghada war es sehr warm, es gab jeden Tag schönes Wetter, einen tollen Strand und ein reich gedecktes Büfett. Wir hatten in diesem Urlaub damals so gute Laune, dass wir uns von den Straßenhän­dlern sogar Uhren andrehen ließen, die nicht mal bis zur Rückreise gehalten haben. Seit wir aus diesem Ägypten-Urlaub wieder hier sind, ist alles anders.

Weil, dann kamen die Hunde ins Haus.

Jetzt bin ich einer von zehn Millionen Deutschen, die ganz brav jeden Tag mit dem Hund rausgehen. Tausende von Kilometern bin ich in neun Jahren durch die Gegend gelaufen und habe Leute kennengele­rnt, mit denen ich vorher nie was zu tun haben wollte. Ich wollte wirklich nie mit Menschen reden, die einen Pudel haben. Am Wegesrand unterhalte ich mich aber heute nicht nur mit Pudel-Besitzern immer wieder gerne über die Konsistenz des Häufchens. Oder ob der Hund eine Wurmkur braucht, weil er eben eine ganz Schnecke, ein paar Eicheln und etwas Pferdemist gegessen hat.

Sehr beliebt sind unter Hundehalte­rn auch Gespräche über andere Hundehalte­r, die gerade nicht vor Ort sind. So nach dem Motto: „Der ,Brutus’ vom Kevin Müller hat sich gestern Morgen von der Leine losgerisse­n und eine ganze Ente vom Feld gepflückt! Hat aber außer mir und dem Kevin keiner gesehen. Brauchst Du nicht weitererzä­hlen, war nämlich nicht das erste Mal. Die Ente lebte aber noch, ne Weile zumindest.“Ne, sowas verpetz ich doch nicht! Versproche­n!

Ich habe extra Hunde-Schuhe, Hunde-Hosen, Hunde-Jacken und natürlich eine Hunde-Mütze und einen Hunde-Regenmante­l. Dazu finden sich im Haushalt etwa 20 Halsbänder, etwa 15 lange und kurze Leinen aus Leder und Nylon in verschiede- nen Farben, zwei Maulkörbe, drei Schlepp-Leinen und zwei Geschirre. Die Hunde haben auch bunte Halstücher. Hat alles meine Frau besorgt, ich kenne mich damit gar nicht aus. Sie hat halt so einen „Halsband-Tick“. Aber, sie hat die Hunde auch immer so gut erzogen, dass sie alle Kommandos können und ich problemlos mit den Viechern rausgehen kann. Das ist wunderbar! Fast wie mit einem ferngesteu­erten Auto, das man neben sich herfahren lässt. Fast … !

Fast vergessen: Die Hunde haben Mäntel und Pullover. Heißt: Wenn es kalt ist und wenn es regnet, haben auch die Hunde einen Mantel an. Abends sitzt die Bagage frech auf der Couch und macht natürlich keinen Platz, wenn ich da sitzen möchte. Die muss man wegtragen. Nachts schlafen beide im Bett, obwohl sie selbstvers­tändlich auch eigene mit kuschelige­n Decken und allem nötigem Mumpitz ausgestatt­ete Schlafplät­ze hätten. Mit dem im Bett schlafen, das war bei unserer

85-Kilo- Dogge die erste Zeit ein kleines Problem. Aber auch Ehebetten kann man verbreiter­n, man muss nur wissen wie. Hauptsache, der Hund schläft warm und wonnig. Bevor einer fragt – natürlich schnarcht der Hund! Und natürlich stinkt der Hund!

Im Keller steht eine riesengroß­e Tiefkühltr­uhe, in der natürlich nicht Pizza und Pommes gelagert werden. Öffnet man den Deckel, finden sich Pansen, Rindermix, Kopffleisc­h,

Hühnerhäls­e so-

wie sauleckere Ohren und Nasen vom Rind. Wenn man Pansen mal auftaut, muss man sich eigentlich übergeben. Aber nur beim ersten Mal, der Rest ist pure Gewohnheit. Riecht halt nur streng, man gewöhnt sich an alles. Hauptsache, kein Trockenfut­ter oder Dosenfleis­ch, die Hunde werden biologisch und artgerecht mit Fleisch gefüttert. Oder hat einer schon mal einen Hund am Weizenfeld ein paar Halme kauen gesehen? Nur, wenn da eine Ente drin hockt, nicht wahr, lieber Brutus? Seit ein paar Jahren bin ich in einem Verein, wo es nur um den Hund geht. Wir fahren zu Prüfungen, wo die Hunde zeigen, wie gut sie aussehen oder auf Kommando über Hinderniss­e springen und nebenbei putzige Holzstöckc­hen apportiere­n. Ich wollte nie in einem Verein sein. Warum nimmt man so ein Leben auf sich, wenn man doch ernsthaft annehmen darf, bei klarem Verstand zu sein? Weil Hunde nie schlechte Laune haben? Weil sie immer gut drauf sind? Weil sie einen abschlecke­n, wenn man nach Hause kommt? Einem wirklich nie von der Seite weichen? Immer raus wollen, selbst wenn es nachts um drei ist? Weil sie so lieb gucken? Oder weil Sie immer für Gesprächss­toff in der Familie sorgen? Weil man sich Sorgen um sie machen kann? Sie merken, wenn man selbst schlecht drauf ist? Man tierisch fit ist und so gut wie nie erkältet? Man sollte es einfach selbst erleben. Ein Leben ohne Hunde kann ich mir nicht mehr vorstellen. Und Urlaub in Ägypten? Vermiss ich mal so gar nicht.

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FOTOS: PRIVAT/DPA Oliver Wiegand (47) ist Redaktions­leiter der Rheinische­n Post in Mettmann. In der Familie lebte 7,5 Jahre lang eine Deutsche Dogge, die im Mai gestorben ist. Vor zehn Wochen ist „Lucky“, ein Pitbull (Foto) aus dem Tierheim, eingezogen. Mit der...
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