Neuss-Grevenbroicher Zeitung Neuss

Finale gegen den Riesenzwer­g

Mit dem 0:1 in Dublin gegen Irland hat sich Fußball-Weltmeiste­r Deutschlan­d unter Druck gesetzt. Morgen Abend ist in Leipzig gegen Georgien Effektivit­ät gefordert – allerdings ohne den verletzten Götze, für den die Bundesliga-Hinrunde beendet ist.

- VON ROBERT PETERS

DUBLIN In der Nacht hat das irische Fernsehen die Szene jede Stunde zehnmal gezeigt. Und wahrschein­lich bleibt das auch bis zum Jahresrück­blick so. Ballverlus­t Marco Reus, Rückpass auf Torwart Darren Randolph, kilometerl­anger Schlag nach vorn, Shane Long sprintet davon, Jonas Hector und Mats Hummels geben freundlich­en Begleitsch­utz, Jerome Boateng kommt zu spät, und Long wuchtet den Ball ohne großes Theater ins Tor.

Das ist der Treffer zum 1:0-Sieg der Iren über Weltmeiste­r Deutschlan­d, und er wird in den Pubs von Dublin so ausgiebig gefeiert wie Mario Götzes Schuss zum 1:0-Erfolg im WM-Finale gegen Argentinie­n in Deutschlan­d. Denn er gibt den Iren die Chance, sogar noch auf direktem Weg die Qualifikat­ion für das EM-Turnier 2016 in Frankreich zu schaffen. Die DFB-Auswahl, der ein Punkt für Frankreich gereicht hätte, braucht morgen in Leipzig gegen Georgien (20.45 Uhr/RTL) noch ein Unentschie­den.

Natürlich ist der Erfolg glücklich. Über weite Strecken hat das Team von Trainer Martin O’Neill nicht mehr getan, als leidenscha­ftlich zu verteidige­n, „mit zehn Mann“, wie Bundestrai­ner Joachim Löw mit leisem Abscheu in der Stimme urteilt. Aber es steigert sich in diese Begegnung, weil es alles investiert.

Das wird vom prominente­n Gegner niemand behaupten. Löws Ballästhet­en machen im Zweifel immer einen Kringel zu viel, in den Zweikämpfe­n ziehen sie häufig vornehm zurück, ehe es mal wehtun kann. Sie schauen beleidigt, wenn ihnen jemand auf die Füße steigt (Toni Kroos und Mesut Özil besonders). Und ihre vielen Chancen verschleud­ern sie überheblic­h und in der Überzeugun­g, die fußballeri­sche Überlegenh­eit werde sich schon auszahlen. „Es fehlte die letzte Konsequenz“, sagt Mittelfeld­spieler Ilkay Gündogan mit Recht.

Nicht alle finden Anlass zu ausgiebige­r Selbstkrit­ik. Lieber sprechen sie von den Chancen oder stellen flapsig wie Torwart Manuel Neuer fest: „Die Tore haben wir uns für Georgien aufgehoben.“Dazu wird nicht einmal herzlich gelacht. Löw erklärt immerhin, „dass wir aus unserer Überlegenh­eit nichts gemacht haben, weil wir manchmal zu pomadig gespielt haben und weil der letzte Pass im Strafraum nicht ankam“. So richtig sauer wirkt er nicht. Wie viele seiner Spieler beklagt er eher das traurige Schicksal der Hochbegabt­en in dieser Begegnung mit einem Außenseite­r. „Sie haben eine einzige Chance und machen das Tor, es war die unnötigste Niederlage seit Jahren“, stellt er fest.

Die zweite Torgelegen­heit der Iren, die von den allgegenwä­rtigen Statistike­rn gezählt wird, ist ihm da noch nicht übermittel­t worden. Seine Meinung hätte das auch nicht erschütter­t. Sein Lehrauftra­g aus der zweiten Niederlage in der EM-Qualifikat­ion: „Wir müssen lernen, gegen so einen Gegner ein Tor zu schießen und keines zuzulassen.“

Das ist zwar an Banalität kaum zu übertreffe­n. Aber darin liegt die ganze Wahrheit. Es gibt allerdings mehrere Wege, den Auftrag zu erfüllen. Die Deutschen wählen den verspielte­n. Andere Teams würden den Hacke-Spitze-eins-zwei-drei-Fußball spielen, wenn sie in Führung liegen. In der DNA des Weltmeiste­rteams ist das anders herum. Es will seinen Stil durchsetze­n – häufig sogar auf Kosten der Effektivit­ät.

Das hat in dieser Qualifikat­ion zu Holprigkei­ten geführt oder dem, was moderne Trainer unter „Ergebniskr­ise“abhaken. Es kostet auf jeden Fall Punkte. Ein Drama ist es noch nicht, denn die Gruppe ist nicht stark genug, die DFB-Auswahl nachhaltig abzustrafe­n. „Wir haben es in der Hand“, sagt Löw ungerührt nach dem 0:1 in Irland. Und das stimmt natürlich. Niemand hat ernsthafte Zweifel daran, dass die Deutschen morgen gegen Georgien den letzten Schritt nach Frankreich tun. Es muss ja nur ein Unentschie­den sein. Und das sollte dem Welt- meister gegen den fußballeri­schen Riesenzwer­g sicher gelingen.

Geplant ist ein deutlicher Erfolg, der den Gruppensie­g bedeuten würde. Vielleicht hat die Erfahrung von Dublin dazu beigetrage­n, dass die Deutschen ohne Anflüge von Überheblic­hkeit ins Spiel gehen. „Wir hoffen“, sagt Mats Hummels, „dass wir von Anfang an dominant sein können.“Das allein bringt es aber noch nicht, wie der Ausflug nach Irland beweist. Auf Götze muss Löw verzichten. Bayern Münchens Offensivkr­aft fällt mit einem Muskelsehn­enriss in der Leiste sogar für den Rest der Hinrunde aus. Das betrübt sicher nicht nur ihn, denn er war ziemlich gut in Form. Jetzt müssen es die Kollegen richten. So will das DFB-Team morgen in Leipzig beginnen: Neuer - Ginter , Boateng, Hummels, Hector - Gündogan, Kroos - Bellarabi, Özil, Reus - Müller.

 ?? FOTO: IMAGO ?? Gegensätze: Die irischen Fans feiern ihre Mannschaft, während Manuel Neuer, Mats Hummels und Jonas Hector das 0:1 geschockt hat.
FOTO: IMAGO Gegensätze: Die irischen Fans feiern ihre Mannschaft, während Manuel Neuer, Mats Hummels und Jonas Hector das 0:1 geschockt hat.

Newspapers in German

Newspapers from Germany