Neuss-Grevenbroicher Zeitung Neuss
Die Schiedsrichter-Ultras sind da!
Die Berliner Brigade Hartmut Strampe ist die erste Vereinigung von Ultras, die keinen Klub unterstützt, sondern Unparteiische. Ihr Motto: Unsere Qualität ist Neutralität.
BERLIN Ein straßenköterblonder Bürstenhaarschnitt, ein Oberlippenbart, dazu Stollenschuhe und ein neonfarbenes Shirt. Schiedsrichter Hartmut Strampe ist in 170 Fußball-Bundesligaspielen zu einer Kultfigur in der Szene geworden. Inspiriert von ihm und populären Unparteiischen wie Franz-Xaver Wack oder dem „großen Vorbild“, Weltschiedsrichter Pierluigi Collina, haben 20 Berliner den ersten Fanclub für Unparteiische gegründet.
Im Februar ist die Idee aus einer Bierlaune heraus entstanden. „Mein Eckbalkon in Friedrichshain, ein paar Gläser Frischgezapftes und unser Lieblingsthema Fußball, schon war die Brigade Hartmut Strampe geboren“, sagt Alex Brandt. Der 31-jährige Student ist Gründungsmitglied der Ultragruppierung. Die Idee der Berliner „Fußball-Atzen“lässt sich in einem Satz zusammenfassen und hat auf Facebook bereits knapp 3500 Likes erhalten: Gute Schiedsrichter stehen immer richtig. Und die Brigade Hartmut Strampe ab sofort dahinter.
So organisiert wie eine richtige Ultra-Fangruppe sei die Brigade zwar noch nicht, eigene Banner („Der hat schon Gelb“), Parolen und Fangesänge haben die Mitglieder aber natürlich auch schon im Repertoire. Alex Brandts Favoriten sind „Say it loud, say it clear, referees are welcome here“(Sag es laut, sag es klar, Schiedsrichter sind hier willkommen). Auch die Strophe „Schiri, wir wissen wo dein Auto stand, Schiri dein Auto ist schon aufgetankt” schallt als Lobeshymne von den Rängen, wenn die rot-gelben Brigadeanhänger in den kleinen und großen Arenen der Republik sind.
Am 12. September feierten sie ihre Premiere im Berliner Olympiastadion, als die Hertha gegen den VfB Stuttgart spielte (2:1). Die Begegnung hat Tobias Stieler geleitet – eine insgesamt eher unauffällige Partie für den Schiedsrichter mit nur drei Verwarnungen. Von den Ultras gab es, wie hätte es auch anders sein können, Lob für seine Leis-
Fangesang der Schiedsrichter-Ultras tung. Stieler meldete sich zwei Tage später mit einem Eintrag bei Facebook zu Wort: „Die Brigade Hartmut Strampe war zufrieden mit dem Spiel ;-)“. Generell sind viele im Stadion zunächst überfordert mit den neuen Gästen. Für wen sind diese Ultras? Schiedsrichter? Und selbst die Unparteiischen sind überrascht. Ihr Ziel ist es eigentlich, nicht im Mittelpunkt zu stehen.
In der Fußball-Oberliga ist die Gruppe bei ihren ersten Besuchen noch stärker aufgefallen: Richard Hempel war bei seinem OberligaDebüt als Schiedsrichter zunächst ein wenig verdutzt. „Es ist neu, es ist anders, aber es ist auch ungewohnt, weil wir sonst nicht im Fokus stehen“, sagt er. „Für den Moment war die Unterstützung schön. Ich bräuchte das jetzt aber nicht in jedem Spiel.“Das liegt nun nicht mehr in seinen Händen. Bislang gibt es die Schiedsrichter-Ultras nur im Großraum Berlin. Nachahmer der Bewegung Brigade Hartmut Strampe aber sind unbedingt willkommen. Bislang ist die Lobby für die Unparteiischen noch recht überschaubar. Ein paar Blogs wie „Collinas Erben“analysieren die Arbeit der Referees und kommentieren strittige Entscheidungen in den sozialen Netzwerken.
Auf die Frage nach dem Ziel der wachsenden Gruppe antwortet Brandt: „Unser Ziel ist es, dass man spätestens beim Playstation-Spiel Fifa 2017 den Schiedsrichter steuern kann.“Die Schnäuzer von Strampe und Kollegen hätten KultPotenzial. Viele Anfragen von Vereinen und Schiedsrichtern hätte die Brigade bereits erhalten. Weil sich die Gruppe auf den Berliner Fußballraum konzentrieren wolle, seien Nachahmer gern gesehen.
Mit mindestens einem zwinkernden Auge sehen die Berliner das Fanprojekt. Doch die Aktion hat auch einen durchaus ernsthaften Hintergrund: Immer häufiger werden Schiedsrichter beleidigt und angefeindet. Auch Gewaltanwendungen gehören dazu. Ein Phänomen von Respektlosigkeit, das von der Kreisliga bis in die Bundesligastadien reicht. Die Konsequenz: Das Schiedsrichterwesen hat merklich mit Nachwuchsproblemen zu kämpfen. Ohne Unparteiische funktioniert kein Fußballspiel. Wirklich ernst nehmen sich die Schiri-Ultras selbst nicht.
Die Aktion darf also belächelt werden, den Appell für mehr Respekt gegenüber Unparteiischen sollte man aber auf jeden Fall ernstnehmen.
„Schiri, wir wissen wo dein Auto stand, Schiri dein Auto ist schon
aufgetankt”