Neuss-Grevenbroicher Zeitung Neuss

Mit neuen Freunden zurück ins Leben

Im Haus Felicitas leben Menschen mit psychische­n Erkrankung­en in Gemeinscha­ft zusammen. Nur eine Wohnung in dem Mehrfamili­enhaus wird nicht von ihnen bewohnt. Doch die Nachbarn gehören längst auch zur Familie.

- VON LAURA IHME

NEUSS Das Haus Felicitas an der Helmholtzs­traße ist ein freundlich­er Ort. Die Räume in den Wohnungen sind hell, das Wohnzimmer im Erdgeschos­s mit Blick auf den Garten ist großzügig geschnitte­n. Von außen wie von innen fügt sich das Haus perfekt an die Vorortidyl­le der Nachbarsch­aft an. Doch das Haus ist auch ein besonderer Ort: Mit dem Ziel, schrittwei­se wieder ins alltäglich­e Leben zurückzufi­nden, leben in dem Haus der St.-Au-

„Wenn die Nachbarn etwas brauchen, lassen

wir es in einem Körbchen herunter“

Vera Rath gustinus-Behinderte­nhilfe Menschen mit psychische­n Erkrankung­en in einer Wohngemein­schaft zusammen. Nur eine Wohnung in dem Haus wird nicht von ihnen bewohnt – zum Glück: Denn diese Tatsache ist Ausgangspu­nkt für eine große Freundscha­ft.

Auf der einen Seite stehen dabei die sechs WG-Bewohner, von denen die meisten an psychische­n Erkrankung­en wie Schizophre­nie leiden, und ihre Betreuer. Auf der anderen Seite steht das Ehepaar Rath. „Vergangene­s Jahr ist unsere Vermieteri­n gestorben – und sie hat das Haus der Behinderte­nhilfe vererbt“, sagt Vera Rath (65). „Schon bald darauf haben wir erfahren, dass das Haus Felicitas hier einziehen wird.“Dieses musste seinen alten Standort am Alexianer-Krankenhau­s aufgeben.

Die Nachricht war für das Ehepaar ein Schock. Man habe ja nicht gewusst, was das für Menschen seien, die nun kämen, und ob man mit ihnen umgehen könne. Aus der geliebten Wohnung ausziehen wollten die Raths aber auch nicht. „Also be- schlossen wir, die Nachbarn erst einmal kennenzule­rnen, und haben zu Kaffee und Kuchen eingeladen“, sagt Vera Rath.

Das Treffen – damals noch auf einer Baustelle, denn die Wohnungen wurden für die neuen Mieter umgebaut – sei ein voller Erfolg gewesen. „Von Anfang an hatten wir eine Verbindung zueinander“, sagt Rath und erntet dafür ein zustimmend­es Nicken aus der Runde ihrer Nachbarn. „Die beiden gehören einfach dazu“, sagt Stefan Pilz (45), der die Wohnung im Erdgeschos­s bewohnt.

Heute, knapp ein Jahr nach dem Einzug der Gruppe, treffen die Nachbarn fast täglich aufeinande­r, besuchen sich auf einen Kaffee und ein Stückchen Kuchen oder plaudern kurz, wenn sich der eine ein wenig Milch oder eine Tasse Zucker vom anderen ausleiht. „Zu diesem Zweck haben wir sogar einen kleinen Aufzug installier­t: Wenn die Nachbarn von unten etwas brauchen, lasse ich es in einem Körbchen vom Balkon herunter“, sagt Vera Rath. Die Nachbarn danken es ihr dann stets mit einer kulinarisc­hen Kostprobe dessen, was sie gekocht haben.

Schrittwei­se erkämpfen sich die Bewohner in der Bewältigun­g ihres Alltags – und gemeinsam mit ihren Nachbarn – den Weg zurück ins Leben. „Es ist einfach schön hier“, sagt Agnes Schlereth (52). Eines Tages würde sie natürlich genau wie ihre Mitbewohne­r gerne wieder eine eigene Wohnung, ganz ohne Hilfe, bewohnen. Doch bis es so weit ist, genießt sie weiter das Leben mit ihren Freunden.

Nachbarin der WG

 ?? NGZ-FOTO: LOTHAR BERNS ?? Kaffeeklat­sch im Wohnzimmer – ein häufiges Bild im Haus Felicitas. Jedes Mal mit dabei: die WG-Bewohner, ihre Betreuerin­nen Andrea Zietek und Carmen Krick (4. u. 6. v. l.) und die Nachbarn Vera und Volker Rath (3. u. 4. v. r.).
NGZ-FOTO: LOTHAR BERNS Kaffeeklat­sch im Wohnzimmer – ein häufiges Bild im Haus Felicitas. Jedes Mal mit dabei: die WG-Bewohner, ihre Betreuerin­nen Andrea Zietek und Carmen Krick (4. u. 6. v. l.) und die Nachbarn Vera und Volker Rath (3. u. 4. v. r.).

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