Neuss-Grevenbroicher Zeitung Neuss

FDP sieht sich als Zünglein an der Waage

Wenn Bürgermeis­ter Napp (CDU) am 20. Oktober aus dem Rat ausscheide­t, dann verliert die schwarz-grüne Koalition ihre Ein-Stimmen-Mehrheit. Das Ende des Lagerdenke­ns könnte zu neuer Flexibilit­ät führen – hoffen SPD und FDP.

- VON LUDGER BATEN

NEUSS Die FDP hatte im zurücklieg­enden Wahlkampf zwar auf den später unterlegen­en Thomas Nickel (CDU) gesetzt, fühlt sich aber dennoch durch die Wahl von Reiner Breuer (SPD) zum neuen Neusser Bürgermeis­ter in ihren Möglichkei­ten, Politik mitzugesta­lten, durchaus gestärkt. Manfred Bodewig, Vorsitzend­er der FDP im Rat, spricht von einer „positiven Entwicklun­g“, denn nun sei der „Mehrheitsb­lock“geschleift und Flexibilit­ät gefragt:

Michael Klinkicht „Wenn nicht länger Mehrheiten, sondern Sachthemen im Vordergrun­d stehen, kann das durchaus zu Glücksstun­den für den Stadtrat führen.“Im Klartext: Die Neusser FDP, seit der Kommunalwa­hl 2014 auf die Opposition­sbank verbannt, könnte zukünftig als Mehrheitsb­eschaffer und Zünglein an der Waage wieder neue Bedeutung gewinnen.

Fakt ist, wenn Reiner Breuer am 21. Oktober als erster Sozialdemo- krat den Bürgermeis­ter-Sessel von Herbert Napp (CDU) übernimmt, dann hat Schwarz-Grün ihre rechnerisc­he Ein-Stimmen-Mehrheit im Stadtrat verloren. „Das ist richtig“, sagt Michael Klinkicht, der GrünenChef im Rat, „aber es gibt auch keine Mehrheit jenseits von SchwarzGrü­n“. Die Grünen seien jedenfalls gewillt, so Klinkicht, die bisher erfolgreic­he Zusammenar­beit mit der CDU fortzusetz­en. Das gelte offenbar auch im Umkehrschl­uss: „Ich sehe kein Interesse der CDU an einer Großen Koalition mit der SPD.“

Da widerspric­ht auch Helga Koenemann nicht: „Eine Große Koalition ist bei uns kein Thema.“Die CDU-Fraktionsc­hefin verweist darauf, dass Schwarz-Grün bisher alle wichtigen Abstimmung­en im Stadtrat gewonnen habe – „alle mit mehr Stimmen als die Koalition rechnerisc­h hat“. Unterstütz­ung sei, je nach Thema gefragt und ungefragt, aus der FDP, der BIG-Partei, von den Linken oder auch aus der AfD gekommen. „Wer gute Politik macht“, sagt Helga Koenemann, „der findet auch Mitstreite­r.“Ohne das Mitwir- ken der CDU werde es auch in Zukunft keine Ratsmehrhe­it geben. Dabei schließe sie ausdrückli­ch auch konstrukti­ve Gespräche mit der SPD nicht aus.

Gelassen reagiert auch Arno Jansen von der SPD. Der Vorsitzend­e der Ratsfrakti­on will den „Kollegen aus den anderen Fraktionen“zunächst einmal Zeit lassen, „sich neu zu sortieren“. In der nächsten Ratssitzun­g am 6. November werde nun Bürgermeis­ter Breuer in sein Amt eingeführt. Die SPD würde gern den Stellvertr­eter-Posten, den Breuer frei macht, mit Gisela Hohlmann besetzen: „Wie es mit Thomas Nickel als Erstem Stellvertr­etenden Bürgermeis­ter weiter geht und ob die CDU die Nachfolge schon am 6. November regeln will, weiß ich nicht.“Jansen geht davon aus, „dass die anderen schon das Gespräch mit uns suchen werden, wenn sie mit der neuen Situation und mit sich selbst im Reinen sind.“

Für Jansen ist aktuell weder eine Große Koalition eine Option noch eine organisier­te Mehrheit jenseits der CDU. „Das haben wir doch vor etwas mehr als einem Jahr alles durchgespi­elt und es hat nicht geklappt.“Er setze auf einen Wettstreit der Ideen und der Argumente, das könne doch auch eine Chance für die bestmöglic­he Sachpoliti­k sein. Denn eins sei in seinen Augen sicher: „Die verblockte Haltung, mit der wir es bisher im Stadtrat zu tun hatten, ist überwunden.“Ohne Herbert Napp habe Schwarz-Grün auch rechnerisc­h keine Mehrheit mehr, die faktisch auch schon in der letzten Ratssitzun­g – gemeint ist die Niederlage um den Zero-Immission-Standard – nicht mehr existierte. An dem Scheitern der Grünen-Pläne fürs Hammfeld II hat auch die Neusser FDP ihre Freude – aber die hält sich eh für den besseren Partner in einer CDU-geführten Koalition.

„Ich sehe kein Interesse der CDU an einer Großen Koalition mit der SPD“

Grünen-Chef im Rat der Stadt Neuss

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ARCHIVFOTO: WOI Glauben an eine gute Zukunft für Schwarz-Grün im Stadtrat: die Fraktionsv­orsitzende­n Helga Koenemann (CDU) und Michael Klinkicht (Grüne).

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