Neuss-Grevenbroicher Zeitung Neuss

Olé España am Rhein

Spanien gilt bei den Deutschen als beliebtest­es Urlaubslan­d. Aber einen Hauch spanischer Kultur gibt es auch in Düsseldorf. Die Zahl der Spanier in Düsseldorf nimmt wegen der wirtschaft­lichen Situation in ihrer Heimat zu.

- VON HOLGER LODAHL

Wenn Primo Lopez über Düsseldorf spricht, gerät er in eine überschwän­gliche Lobhudelei. „Die schönste Stadt Deutschlan­ds“, sagt der Gastronom. „Düsseldorf ist internatio­nal, hat viel Ambiente und tolle Einwohner.“Seit 1968 lebt der Spanier am Rhein. 14-jährig war er seinem Vater nach Düsseldorf gefolgt und blieb, als sein Vater vier Jahre später in seine Heimat zurückreis­te.

In diesem Jahr hat Primo Lopez seinen 60. Geburtstag gefeiert und könnte langsam überlegen, wie er seinen Ruhestand in Madrid, Barcelona oder an der Costa del Sol verbringen möchte. Aber nichts da. „Ich bleibe hier“, sagt er. „In Düsseldorf habe ich meine Aufgabe, meine Familie, meine Stadt.“

Seine Aufgabe, das ist die Schneider-Wibbel-Gasse. In dieser kaum 200 Meter langen Altstadtst­raße betreibt Lopez sechs Lokale mit spanischen Spezialitä­ten und macht diesen Teil der City zum Anlaufpunk­t für alle Düsseldorf­er, die nach dem Urlaub in Erinnerung­en an Paella, Flamenco und Strand schwelgen möchten. Und diese Träumer gibt es zahlreich: Primo Lopez‘ Lokale sind oft voller Gäste. Vor allem an warmen Sommeraben­den herrscht in der Schneider-Wibbel-Gasse eine Stimmung, die kaum von der Atmosphäre in Eivissa, Valencia oder Sevilla zu unterschei­den ist – vor allem, wenn der spanische Rotwein schmeckt. Zu Lopez‘ Gästen zählen größtentei­ls Deutsche. An guten Messe-Tagen kämen auch Spanier in die Schneider-Wibbel-Gasse, erzählt der Chef. „Sie wundern sich dann schon sehr, wie viel España am Rhein liegt“, sagt er.

Spanisches Flair gibt es auch in Unterbilk. An der Neusser Straße betreiben José Manuel Sánchez Moreno und seine Partnerin La Cati eine Flamenco-Tanzschule. Dieser Ausdruck ist eigentlich nicht ganz korrekt, denn der Flamenco ist nur komplett mit Tanz, Musik und Gesang. Jeden Tag gibt es mehrere Kurse – meist am Abend, aber auch schon mittags treffen sich Flamenco-Freunde im Tanzraum vor dem wandgroßen Spiegel.

Ungewöhnli­ch ist, woher die Tänzer kommen – aus rund zehn Nationen nämlich. Überrasche­nd viele Japaner haben die Leidenscha­ft für Flamenco entdeckt. „Zum Flamenco gehört zum einen viel Disziplin und Ehrgeiz, und das mögen die sonst so zurückhalt­enden Japaner“, erzählt José Manuel Sánchez Moreno. „Sie nutzen die Leidenscha­ft im Flamenco aber auch, um ihre Emotionen auszudrück­en.“La Cati fügt hinzu, auch Russen kämen gern, ebenso Deutsche, die zuweilen etwas steif sind. „Aber wir kitzeln aus jedem Tänzer sein Tanztalent heraus“, sagt sie amüsiert. La Cati lebt vor, dass jeder Flamenco im Blut hat – sie ist Deutsche und tanzt so gut, dass sie schon vor König Juan Carlos auftrat. Viele Spanierinn­en kämen in die Kurse, um den Tanz erstmals zu lernen oder Gelerntes aus der Kindheit wieder aufzufrisc­hen. „Spanierinn­en haben kein Problem, sich von mir als Deutscher ihren Nationalta­nz zeigen zu lassen“, sagt La Cati. Kritischer seien die Deutschen. „Sie fragen, ob ich Flamenco überhaupt kann und sind nach der ersten Stunde oft völlig verblüfft.“

Aber die Tanzschule ist mehr als ausschließ­lich ein Ort, an dem getanzt wird. Im Foyer steht ein langer, weiß getünchter Tresen. Auch die Wände sind weiß und hängen voller verschiede­n großer Fotos von La Cati und José Manuel. Foyer und Tanzraum trennt ein großes Fenster, vor dem mehrere Tische stehen. „Hier treffen sich viele unserer Gäste, bringen was zu essen und zu trinken mit, schauen den anderen beim Tanzen zu“, sagt José. Die Spanierinn­en würden die Tänzer anderer Nationen oft mitziehen, so dass die Abende schon mal lang werden können und am Tisch ein Stimmengew­irr verschiede­ner Sprachen herrscht. Die Tanzschule wird wegen Spaniens Wirtschaft­skrise als Treffpunkt immer wichtiger. „Seit zwei Jahren etwa haben wir mehr spanische Besucher als sonst“, sagt José Manuel.

Auch Andrés Cornejo merkt, dass immer mehr Spanier nach Düsseldorf kommen. Cornejo ist PastoralRe­ferent der spanisch-sprachigen Gemeinde in der Mission Düsseldorf und freut sich über jeden Landsmann – auch, wenn deren Ankunft zuweilen problemati­sch ist. Im katholisch­en Pfarramt der spanischsp­rachigen Mission an der Bilker Straße helfen er und sein Team bei Wohnungs- und Jobsuche sowie bei Behördengä­ngen. DeutschSpr­achkurse bieten sie sogar selbst an. So leistet Cornejo große Hilfe bei der Integratio­n. „Das ist sehr, sehr wichtig seit der Wirtschaft­skrise“, sagt er. Dazu gehört auch die religiöse Betreuung der rund 6000 spanisch-sprechende­n Bürger. In der Kirche Sankt Adolfus an der Kaiserswer­ther Straße gibt es regelmäßig Gottesdien­ste in spanischer Sprache. Auch andere religiöse Traditione­n werden gepflegt, Taufen und Trauungen gefeiert, und es gibt eine Folkloregr­uppe, in der jeder Besucher die Tänze aus verschiede­nen spanischsp­rachigen Ländern lernen und genießen könne. „Deutsche sind in unserer Gemeinde sehr willkommen“, sagt Andrés Cornejo. „Wir feiern gern zusammen mit Gästen anderer Nationen.“

 ?? FOTO: ANDREAS BRETZ ?? José Manuel Sánchez Moreno und seine Partnerin La Cati bringen Spaniern, Deutschen und Japanern den Flamenco bei.
FOTO: ANDREAS BRETZ José Manuel Sánchez Moreno und seine Partnerin La Cati bringen Spaniern, Deutschen und Japanern den Flamenco bei.
 ?? FOTO: BERND SCHALLER ?? Primo Lopez in „seiner“Schneider-Wibbel-Gasse. Der Gastronom führt in der Altstadt sechs spanische Restaurant­s.
FOTO: BERND SCHALLER Primo Lopez in „seiner“Schneider-Wibbel-Gasse. Der Gastronom führt in der Altstadt sechs spanische Restaurant­s.
 ?? FOTO: A. BRETZ ?? Andrés Cornejo organisier­t für seine zugereiste­n Spanier Sprachkurs­e und auch religiöse Feiern wie Gottesdien­ste und Taufen.
FOTO: A. BRETZ Andrés Cornejo organisier­t für seine zugereiste­n Spanier Sprachkurs­e und auch religiöse Feiern wie Gottesdien­ste und Taufen.

Newspapers in German

Newspapers from Germany